Vom Zauber der Oper und einer lauen Sommernacht im Süden Italiens... G. Verdis Aida konzertant in Neapel!

                                                  7. August 2020

                             Von Hannah Klug / Wunderbare Welt der Oper

(C) Kath-arina auf Pixabay


Der einwöchige Besuch in Neapel und die zwei Open Air Vorstellungen der Aida, ausgerichtet vom Teatro San Carlo, waren schon ein ein bsonderes Erlebnis. Nach der langen Abstinenz in Folge des Lockdowns waren Sänger, Musiker und das Opernpublikum ausgehungert und sahen in besonderer Vorfreude allen Aufführungen dieses Mini Opernfestivals, genannt regione lirica 2020, entgegen. Das Programm: zweimal die Tosca am 23.7. und 26.7., sowie die Aida am 28.7. und 31.7. und am 30.7. Beethovens Neunte. Jede dieser hochkarätig besetzten Vorstellungen, insbesondere die der vier Opernaufführungen, waren also mit einer entsprechend emotionalen Note versehen. Sänger und Publikum waren gleichermaßen überwältigt von ihren Gefühlen. So war die Stimmung und das Erlebte besonders intensiv an diesen Abenden. Ich werde mich hier in erster Linie auf die konzertante Aufführung der Aida am 31. 7. konzentrieren. Über meine weiteren Erlebnisse rund um die Reise nach Neapel werde ich ggf. in einem gesonderten Beitrag berichten. Auf jeden Fall war es auch für mich seit Monaten wieder der erste Besuch einer Opernvorstellung. Zum letzten Mal hatte ich ein Opernhaus am

13.3. diesen Jahres betreten, genau gesagt das Royal Opera House in London. An dem Tag hatte es Beethovens Fidelio gegeben, mit Sir Antonio Pappano am Pult. Damals ahnte ich noch nicht,wie lange es dauern würde, bis ich wieder live Opernmusik erleben könnte.

(C) Hannah Klug / Wunderbare Welt der Oper


Nun also Neapel, die Piazza Plebiscito und Guiseppe Verdis Aida unter der Leitung des jungen italienischen Dirigenten Michele Mariotti. Es spielte das Orchester des Teatro San Carlo zusammen mit dem Chor des Opernhauses. Auf der Bühne standen wunderbare Sänger und interpretierten auf eine besonders intensive Weise Verdis Meisterwerk, aufgrund der gesetzlichen Vorgaben allerdings nur konzertant. Während der zwei Aufführungen am 28.7. und 31.7. war zu erleben, wie man auch ohne die Möglichkeit einer szenischen oder halbszenischen Darstellung ein Musikdrama authentisch und lebendig auf die Bühne bringen kann. Um dieses erfolgreich zu tun, braucht es eine Reihe hochkarätiger und ausdrucksstarker Stimmen. In Neapel war genau das glücklicherweise der Fall. So begann am 31.Juli  gegen 20:30 ein unvergesslicher und wunderschöner Opernabend auf der Piazza Plebiscito mitten im historischen Zentrum. Die zweite Vorstellung war ausverkauft, selbstverständlich unter Auflage aller Vorsichtsmaßnahmen bezüglich COVID19. Auf die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben wurde während aller Abende freundlich ,aber strikt geachtet.

Das Publikum war wunderbar an diesem Abend, wertschätzend, wissend, diszipliniert, respektvoll und über die Maßen begeistert. So wurden Sänger und Musiker auf Händen getragen, die nun endlich die Magie der Oper zurück zu den Musikfans trugen und damit wieder ein Stück Freiheit und Kultur in die Welt brachten.

So begann das Orchester zu spielen, die ersten Töne erklangen und erfüllten die Piazza mit Leben und Musik. Als erstes betraten Jonas Kaufmann als Hauptmann der Palastwache Radames und Roberto Tagliavini als Hohepriester Ramfis die Bühne und zogen die Zuschauer ohne Umschweife hinein in eine andere Welt. Roberto Tagliavini hatte neben den Auftritten in den zwei Aidas einen weiteren in Beethovens Neunter am 30.7.. Jonas Kaufmann, neben Anita Rachvelishvili einer der Stars dieser Produktion, konnte am 31. Juli von Beginn an stimmlich überzeugen. Am 28. Juli hatte es einige kleine Einschränkungen gegeben, die sich aber in der zweiten Hälfte weitgehend auflösten. Sein Celeste Aida war sicher einer der Höhepunkte des Abends und wurde verdientermaßen mit viel Applaus bedacht. Der

51 Jährige Opernsänger wirkte entspannt und schien den Abend auf der Piazza Plebiscito sehr zu genießen. Immer wieder huschte ein Lächeln über sein Gesicht. Vermutlich aufgrund der hohen Temperaturen hatte sich der Münchner am Freitagabend dafür entschieden, auf ein Sakko zu verzichten und trug stattdessen ein schwarzes Hemd und eine schwarze Hose mit Gürtel und passende Schuhe. Die mittlerweile fast  grauen Locken kringelten sich aufgrund der hohen Luftfeuchtigkeit auf seinem Kopf. Die von der Sonne gebräunte Haut und der kurz getrimmte grau-weiße Bart verliehen dem symphatischen Künstler eine bsesonders attraktive und passende Optik.

Wie bereits erwähnt war der Münchner Opernsänger sehr gut bei Stimme und konnte auch ohne szenische Darstellung den Charakter, das Erlebn und die Emotionen seiner Figur lebendig und authentisch vermitteln. Der Publikumsliebling nutzte, abgesehen von seinen großen stimmlichen Qualitäten, auch Gestik und Mimik, um das Geschehen auf der Bühne und die konzertante Aufführung der Aida so intensiv zu gestalten wie nur möglich. Diese Ausstrahlung , die starke Bühnenpräsenz und das Vermögen, eine Verbindung zu seiner Figur aufzubauen, sei es auch nur für eine Arie, gehören sicher zu den herausragenden Fähigkeiten des deutschen Weltstars.

(C) Link Youtube / Teatro San Carlo


Als Anita Rachvelishvili das erste Mal die Bühne betrat, ging ein Raunen durch das Publikum. In einem langen cremeweißen Kleid, in das eine lange Schleppe eingearbeitet war, und glatten schwarzen Haaren, die weit über den Rücken fielen, unterstrich die georgische Mezzospranistin den Charakter ihrer Figur und ihre starke Bühnenpräsenz. Anita Rachvelishvili verkörperte in dieser konzertanten Aufführung von Verdis Meisterwerk Amneris, die Königstochter, die den Hauptmann der Palastwache, Radames,liebt und für sich beansprucht. Den größten Eindruck hat die 36Jährige Opernsängerin selbstverständlich durch ihre wunderschöne Stimme hinterlassen. Wenn sie ihren ausdrucksstarken Mezzosopran erklingen lässt, laufen dem Zuschauer wohlige Schauer über den Rücken. Die Georgierin verfügt über einen beindruckenden Stimmumfang und ein ebenso beeindruckendes Stimmvolumen. Die Klangfarbe ist angenehm warm und dunkel in den tiefen Lagen und kraftvoll und klar in den hohen Frequenzen. Die Ausdruckskstärke und Strahlkraft sind fesselnd und verbreiten einen ganz besonderen Zauber.

(C) Francesco Squeglia


Die Titelpartie war mit der italienischen Sopranistin Anna Pirozzi besetzt. Ihr kraftvoller und dramatischer Sopran, dem allerdings manchmal ein wenig die Weichheit und das Zarte fehlte, fügte sich aber ansonsten in das hohe Niveau ihrer Kollegen mit ein. Und auch wenn es einige Momente gab, in denen ihre Stimme ein wenig schrill klang und mit etwas zu viel Vibrato versehen war, konnte sie vor allem in den dramatischen Augenblicken und am Schluss beim "O terra, addio" überzeugen. Die  Darstellung, soweit man in diesen Aufführungen davon sprechen kann, war auch bei der italienischen Opernsängerin stimmig und unterstrich die gesungenen Worte nachdrücklich. Anna Pirozzi bot auch optisch eine glaubwürdige Aida. Die langen dunklen Haare teilweise zu einem Haarknoten zusammengefasst, dazu ein leichtes schwarzes Kleid, das sie mit verschiedenen Übergewändern gestaltete.

(C) Francesco Squeglia


Auch alle weiteren Sänger im Ensemble konnten auf ganzer Linie überzeugen, wie zum Beispiel der italienische Bariton Claudio Sgura in der Partie des Amonasro , Roberto Tagliavini als Hohepriester Ramfis, Fabrizio Beggi als König( von Ägypten), er hat mir besonders gut gefallen. Schöne und ausdrucksstarke Stimmen, die ebenfalls zu dem großen Erfolg der zwei Opernabends beitrugen.

Eine junge Sängerin möchte ich unbedingt noch gesondert erwähnen: die italienische Sopranistin Selene Zanetti, die als Priesterin einen kleinen aber feinen Part übernahm. Ihr "Isis o Osiris" gehört für mich auch zu einem der Höhepunkte in Neapel. Selene Zanetti hat im jungen Opernstudio der Bayerischen Staatsoper begonnen und konnte im Ensemble von Generalintendant Nikolaus Bachler zu einer vielversprechenden Künstlerin herangewachsen. Nun ist sie in die Selbständigkeit gegangen und eröffnet unter anderem im November am Teatro San Carlo die neue Saison als Mimi in Giacomo Puccinis Oper La Boheme. Diese junge Sängerin wird ganz sicher ihren Weg gehen. Von ihr wird die Opernwelt noch einiges hören.

Der Chor und das Orchester des Teatro San Carlo stand unter der Leitung des jungen italienischen Dirigenten Michele Mariotti, der durch ein sehr feines und detailliertes Dirigat überzeugte und auch an stärker besetzten Orchesterstellen die Stimmen der Sänger zu keiner Zeit überdeckte. Ihn zu beobachten bereitete große Freude. Die Verbindung zu Chor und Orchester riss niemals ab und die Wertschätzung auch für die Musik war zu jeder Zeit spürbar.  Ein weiteres Highlight war dem Chor und Orchester zu verdanken, der Triumphmarsch!

Noch ein paar Worte zum Bühnengeschehen: Weitere Höhepunkte an den zwei Abenden waren neben den Soloauftritten von Jonas Kaufmann und Anita Rachvelishvili die Duette der beiden Ausnahmesänger. Gemeinsam auf der Bühne entfachten sie ein ganz besonderes Feuer der Leidenschaft und stachelten sich, so hatte man das Gefühl, zu noch immer größeren Leistungen an. Wenn Sängerdarsteller wie der deutsche Tenor und die georgische Mezzosopranistin zusammen auf der Bühne stehen,dann ist das fast zu erwarten. Kostüme und Bühnenbild sind dann nicht mehr notwendig. Alles, was man braucht, um gefesselt zu sein, wird erzeugt durch die herausragenden und ausdrucksstarken Stimmen, unterstützt von einer beeindruckenden Bühnenpräsenz, Gestik und Mimik. In den Gesichtern ist alles abzulesen, was die gesungenen Worte erzählen. 

Dass auch ein erfahrener Sänger wie der deutsche Weltstar Jonas Kaufmann im Rahmen der persönlich erlebten Gefühle  den wenn auch nur kurzfristigen Verlust über die sogenannte kontrollierte Ekstase einbüßen kann, konnte man bei der zweiten Vorstellung der Aida am 31. Juli in Neapel erleben.  Während des emotionalen Schlusses, genau gesagt in dem Moment, in dem Radames entdeckt, dass Aida sich in sein Grab geschlichen hat, um mit ihm in den Tod zu gehen, entwich dem Sänger ein herzzereißender kurzer Schluchzer, der zumindest mich mitten ins Herz traf und tief berührte. Erst wenige Sekunden später hatte sich der symphatische Künstler wieder gefangen. Das war ein seltener aber sehr bewegender Moment, der beweist, wie sehr auch den Opernsängern der oberen Liga der zurückliegende Lockdown und die lange Auszeit zu schaffen gemacht hat.  Nach fast 5 Monaten endlich wieder vor einem größeren Publikum aufzutreten, und das mit einer italienischen Oper, hier die Aida von Guiseppe Verdi, in Italien, das lässt den erfahrensten Profi nicht kalt.

Ich verließ die Piazza Plebiscito in Neapel spät abends, Ende Juli und war tief erfüllt von dem, was ich gefühlt, erlebt, gehört und gesehen hatte. Nach 4,5 Monaten war es auch für mich wieder die erste Möglichkeit, endlich meiner großen Liebe zu frönen und mich ganz der Leidenschaft für die wunderbare Welt der Oper hinzugeben, eingebettet in einen wundervollen, unvergesslichen und erlebnisreichen Urlaub in Bella Italia, zusammen mit zwei wunderbaren Menschen, mit denen ich Glück und Freude über all das Erlebte teilen konnte. Gemeinsam haben wir ein wirklich großartiges Gespann gebildet. Quasi ein Dreiländereck auf sechs Beinen. Deutschland, Schweiz, Österreich! Danke Mädels!

Und danke an das Teatro San Carlo und Stephane Lissner, der dieses kleine Festival( 2x Tosca, 2x Aida und 1x Beethovens Neunte) möglich gemacht hat. Selbstverständlich gilt der Dank auch den wunderbaren Sängern, Musikern und den zwei Dirigenten. Ohne all diese großartigen Künstler, die ihren Beruf so sehr lieben und ihn mit Leidenschaft leben, wäre auch im Juli ein Neubeginn nach dem Lockdown nicht möglich gewesen. Dieses Festival und die teilnehmenden Künstler sollen stellvertretend für die zahlreichen anderen Klassikveranstaltungen und Festvals stehen.

Ich selbst melde mich recht bald wieder, wie es aussieht erst einmal vorwiegend aus Österreich und insbesondere aus Wien. Bis dahin gebt gut auf Euch acht und bleibt mir nur gesund....