(C) Manolo Press / Michael Bode
Es gibt musikalische Erlebnisse die tief berühren und noch lange nachklingen in der eigenen Seele. Das sind ausgesprochen kostbare und seltene Momente die sich jeder der sie erleben darf noch lange bewahren sollte. Gestern Abend im Festspielhaus Baden-Baden war so ein außergewöhnliches Erlebnis. Wagner war das Thema des Konzertes, das im ersten Teil das Vorspiel zu Parsifal und den Karfreitagszauber aus Richard Wagners Bühnenweihefestspiel bot. Ich habe nie damit hinter dem Berg gehalten, das ich weder ein ausgewiesener Wagner Experte bin, noch dass ich ein abgeschlossenes Musik oder Journalismus Studium hhätte. Aber ich höre Oper seit ich 16 Jahre alt bin und habe bereits als Kind, später als Jugendliche und junge Erwachsene im Chor gesungen, mit Anfang dreißig kamen noch 3,5 Jahre klassischer Gesangsunterricht dazu. Und auch sonst hat Musik immer eine große Rolle in meinem Leben gespielt. Und so erlaube ich mir den Abend von gestern auch ohne spezielles Expertenwissen zu beurteilen, sondern mit meiner Erfahrung, meinem Herzen, einem guten Gehör und mit klaren und hellen Verstand.
Ich kann nur sagen wie sehr ich gestern berührt war von der Musik, die im ersten Teil das Gstaad Festival Orchester unter der Leitung von Sir Mark Elder den Menschen im Festspielhaus in Baden-Baden zu Gehör gebracht hat. Mit Gefühl, mit Leidenschaft und Können. Und das aufmerksame, sachkundige und im höchsten Maße respektvolle und disziplinierte Publikum darf man zurecht als Maßstab nehmen für die hohe Qualität des Orchesters und ihres Dirigenten. Am Ende der 25 Minuten war der gesamte Raum erfüllt vom Klang der Musik und dem Geiste Richard Wagners. Nach einer Pause von weiteren 25 Minuten setzte sich der Abend dann mit dem fort worauf vermutlich fünfzig Prozent der Zuschauer sehnsüchtig gewartet hatten. Der zweite Aufzug aus Tristan und Isolde in Starbesetzung. Camilla Nylund-Saris als Isolde und Jonas Kaufmann als ihr Geliebter Tristan. Dazu Christof Fischesser als König Marke, Sasha Cooke als Bragäne und Todd Boyce als Kurwenal / Melot. Es spielte ebenfalls das Gstaad Festival Orchester unter der Leitung von Sir Mark Elder.
(C) Manolo Press / Michael Bode
Die halbszenische Darstellung des zweiten Aufzugs aus Tristan und Isolde zeichnete sich vor allem durch einige ausgewählte Requisiten und eine intensive Darstellung der mitwirkenden Sänger, allen voran Camilla Nylund-Saris und Jonas Kaufmann aus, die eine dichte Atmosphäre schufen. So erfüllten Leidenschaft, Hass, Liebe, und tiefe Verzweiflung den Bühnenraum und das gesamte Auditorium und bannten die Konzertbesucher in ihre Sitze, gefesselt von der mitreißenden Musik und dem Drama.
Dabei fiel das hohe Niveau aller Solisten auf. Sasha Cooke als Brangäne mit ihrem vollen warmen Mezzo, Ausdruckskraft, einer excellenten Textverständlichkeit und einer starken und überzeugenden Bühnenpräsenz. Eine Neuentdeckung und hoffentlich der Sprung zu einer großen Karriere. Dasselbe gilt für den jungen Bariton Todd Boyce als Kurwenal / Melot. Einen Sänger den man sich auf jeden Fall merken sollte. Christof Fischesser als König Marke eine wunderbare Entdeckung, überzeugend in seiner Darstellung, ein starker und bewegender Auftritt, bestens bei Stimme, ein warmes angenehmes Timbre und absolut textverständlich. Das Orchester konnte auch im zweiten Teil sein Können unter Beweis stellen und trug selbstvertänlich zum großen Erfolg an diesem Abend bei. Sir Mark Elder leitete seine Musiker sicher durch die Partitur und hatte auch immer das Wohl der Sänger im Auge, bereitete ihnen einen Klangteppich auf dem sie sich bei aller Schwierigkeiten sicher und wohl fühlen konnten. Und Camilla Nylund-Saris und Jonas Kaufmann?
(C) Manolo Press / Michael Bode
Die zwei außergewöhnlichen Sängerdarsteller trieben sich gegenseitig zu immer größeren Höchstleistungen an und steigerten sich zeitweise in einen einzigen Rausch der Gefühle. Die finnische Sopranistin, die heute bereits wieder in Bayreuth die Isolde singt, natürlich die gesamte Oper, ist aktuell in einer überragenden Form. Ihr Gesang wirkte absolut mühelos, als wäre es nur ein Spazierggang gewesen. Man hätte den Eindruck gewinnen können, sie wäre in der Lage gewesen mindestens den zweiten Aufzug noch gleich ein weiteres Mal zu singen. Selten erlebt man soviel Ausdruck und Energie und das ohne jede Anstrengung. Die Interpretation, die Darstellung wirkt authentisch und ehrlich in jedem Augenblick. Die Stimme ist makellos, die Höhe sitzt perfekt, niemals scheint die Kraft zu schwinden, auch nicht im stärksten Forte uind Fortissimo. Die Piani und Pianissimo dagegen sind von berückender Schönheit und Zartheit. Ein großes Glück diese großartige Sängerin live auf der Bühne erleben zu dürfen, die immer mit ihrer Aufmerksamkeit bei den Bühnenpartnern ist, eine dankbare Anspielpartnerin auch wenn sie selbst nicht singt.
Jonas Kaufmann hat die Partie des Tristan zuletzt bei den Opernfestspielen 2021 in seiner Heimatstadt München gesungen und zwei Jahre zuvor Auszüge in New York und Boston, der Rest war der Corona Pandemie zum Opfer gefallen. Nun also in Baden-Baden und zwei Tage zuvor beim Yehudi Menhuin Festival mit der gleichen Besetzung in Gstaad. Der deutsche Tenor begann sehr stark und hatte dann eine kurze Phase in der ihn Husten quälte, sich immer wieder räuspern musste und ein wenig gestresst wirkte. Glücklicherweise fing sich der erfahrene Sänger schnell wieder und stieg erneunt ein auf das selbe hohe Niveau seiner Bühnenpartnerin. Im Verlauf des Abends gab es noch ein paar Momente in denen die Stimme ein wenig brüchig klang, glücklicherweise immer nur für wenige Sekunden. Ansonsten war die Leistung auch von Jonas Kaufmann sehr überzeugend und eine große Freude ihm zuzuhören. Mit seiner fesselnden Darstellung gewann er in Kürze das Publikum im Saal für sich. Lange hat man den Sänger nicht so eintauchen sehen in eine Rolle, mit viel Herz, Leidenschaft, glaubwürdig und ergreifend. Das Zusammenspiel mit der finnischen Sopranistin zeigte eine tiefe Verbundenheit für die Musik und einen großen Respekt für das Können des anderen. Man hätte sich gestern Abend keine schönere und leidenschaftliche musikalische Verbindung vorstellen können. Für mich persönlich waren aber in dieser halbszenischen Aufführung, die berührensten Momente, die Begenung von König Marke und Tristan, wenn der König seinen geliebten Neffen und treuen Freund mit seiner Schuld konfrontiert und dieser überwältigt von Schmerz und Reue vor ihm zusammenbricht. Der Zweikampf mit dem Schwert( (authentisch von Jonas Kaufmann und Todd Boyce dargestellt), in dem Tristan von Melot tödlich verwundet wird, war der dramatische Höhepunkt dieses Abends, der sicher noch lange nachhallt in den Herzen aller Beteiligten und denen der Zuschauer.
(C) Manolo Press / Michael Bode
Die Musik spricht nicht die
Leidenschaft,
die Liebe, die Sehnsucht dieses oder jenes
Individuums in dieser oder jenen Lage aus,
sondern die Leidenschaft, die Liebe,
die Sehnsucht selbst.
(Richard Wagner)