Die Magie der Oper spüren unter dem strahlenden Sternenhimmel von Verona

Giacomo Puccinis Tosca in Traumbesetzung


Von Hannah Klug / Wunderbare Welt der Oper

31.August 2024


Die vierte und letzte Tosca Vorstellung in der Arena di Verona für die Saison 2024 wurde nicht zuletzt Dank einer außergewöhnlichen Besetzung zu einem ganz besonderen Erlebnis für die Zuschauer. Elena Stikhina gab in der Titelrolle der innig liebenden und eifersüchtigen Operndiva Floria Tosca ihr erfolgreiches Hausdebüt und auch der in Italien so hoch veerehrte deutsche Weltstar Jonas Kaufmann sang seine Partie des Malers Mario Cavaradossi am 30. August zum ersten Mal an diesem

magischen Ort und brachte die Zuschauer in der fast ausverkauften Arena zum Schwärmen. Der dritte in diesem hochkarätigen Trio war der französische Bariton Ludovic Tezier, der auch in diesem Sommer hier mehr als einmal auf der Opernbühne

zu erleben war. Er sang den sadistischen Bösewicht in Puccinis Drama, Baron Scarpia. Einen Tag zuvor hatte der sympathische Sänger noch als Amonasro in Verdis Aida geglänzt. Elena Stikhina, Jonas Kaufmann und Ludovic Tezier, die sich alle als Sängerdarsteller sehen und dieses immer wieder eindrucksvoll beweisen, dürften sich in dieser klassisch inzenierten Produktion recht wohl gefühlt haben. Das gesamte Bühnenbild ist recht schlicht gehalten, wirkt nicht überladen oder lenkt durch zahlreiche Nebenschauplätze ab. Eine kleine Herausforderung waren die Kostüme, insbesondere die der drei Hauptprotagonisten. Zum einem dürften die Künstler bei um die 30 Grad mit der Hitze gekämpft haben(Zum Beispiel Jonas Kaufmann in Lederhose und langen Lederstiefeln), zum anderen boten die aufwendig gefertigten Kleider mit Schleppe von Elena Stikhna gewisse Stolperfallen für ihre Bühnenpartner und schränkten die Bewegung der russischen Sopranistin etwas ein. Es kam aber zu keiner Zeit zu einem Sturz, im Gegenteil, alles wirkte sehr stimmig und elegant.  Im Mittelpunkt stand am Ende die unbeschreiblich schöne Musik Puccinis und die Geschichte dieses Meisterwerks, das einfach und klar erzählt wurde. Eine wohltuende Erfahrung für Zuschauer, Sänger und Musiker und der perfekte Einstieg für Neueinsteiger ohne Opernerfahrung.


Bevor ich zu den drei überragenden Hauptdarstellern dieses Abends komme, noch einige Worte zum Orchester, ihrem Dirigenten Daniel Oren, dem Chor und den ebenso excellent besetzten Sängern in den Nebenrollen. Orchester und Chor der Fondazione Arena di Verona sind bestens eingespielt und bringen eine Menge Erfahrung mit und eine große Leidenschaft für das was sie jeden Tag tun. Sie alle tragen jeden Abend zum Erfolg in einem nicht unerheblichen Teil bei. So gab es auch am 30. August reichlich begeisteren Applaus und eine liebevolle Anerkennung vom Publikum für die dargebrachte Leistung. Daniel Oren leitete im Orchestergraben mit großem Einsatz für seine Musiker und die Sänger auf der Bühne die Vorstellung der letzten Tosca in Verona. Auch ihm war der Dank der Zuschauer gewiss. Die Nebenrollen waren ebenfalls excellent besetzt und sollen nicht unerwähnt bleiben. Ohne die engagierten  Ensemblemitglieder funktioniert so eine Opernproduktion nicht und der Geschichte würde ganz eindeutig etwas fehlen. So sei auch ihnen Dank gesagt. Dasselbe gilt am Ende auch für die Techniker und Arbeiter, die insbesondere auf einer Bühne wie der in der Arena di Verona beachtliches zu leisten haben und dabei immer sichtbar für die Zuschauer ihren Job tun. Bravo an alle diese fantastischen und unermüdlichen Mitarbeiter ohne die keine Vorstellung möglich wäre.


Elena Stikhina als Tosca war an dem Abend des 30. August eine Idealbestzung für die Rolle der temperamentvollen Operndiva, die mit Herz, Verstand und großem Einsatz für ihre große Liebe, den Maler Mario Cavaradossi kämpft. Optisch war die russische Sopranistin schon beim ersten Auftritt eine Augenweide und fügte sich perfekt in die Inszenierung von Hugo de Ana ein. Kokett und auch humorvoll verkörperte sie ihre Figur im ersten Akt, brachte ihren Mario in Gestalt von Jonas Kaufmann zu leidenschaftlichen Ausbrüchen, wickelte ihn um ihren kleinen Finger und rang ihm das Zugeständnis ab, der Dame auf seinem Portrait schwarze Augen zu geben. Das alles verkörperte die sympathische Opernsängerin sehr authentisch und mit einer großen Leichtigkeit. Die Stimme klang jederzeit unangestrengt, die Höhen strahlend und sicher, die Piani zart und zerbrechlich, die Ausbrüche im Forte dramatisch, kraftvoll und ausdruckstark. Ein Höhepunkt an diesem Abend war ein traumhaft schön gesungenes "Vissi Darte" , das ihr einen langen und begeisterten Szenenapplaus bescherte. Die 37jährige überzeugte zudem mit einer excellenten Textverständlichkeit, einer großen Anzahl an Klangfarben, einem angenehmen, weichen Timbre und wunderschönen Legatobögen. Die Atemtechnik war perfekt und niemals hörte man die Sängerin forcieren oder ein starkes Vibrato zum Einsatz bringen. Eine auf allen Ebenen überzeugende Leistung. Im dramatischen zweiten Akt

konnte sie ihre große Spielfreude noch weiter ausbauen und auch im dritten Akt zeigte sie weitere Facetten ihrer großen schauspielerischen Fähigkeiten. Eine rundherum gelungene Vorstellung und ein erfolgreiches Hausdebüt als Floria Tosca in der Arena di Verona. Brava Elena Stikhina.


Ludovic Tezier ist unbestreitbar in der Form seines Lebens und auf dem absoluten Höhepunkt seiner Sängerkarriere. Wenn der französische Bariton auf der Bühne steht, gibt es schlichtweg keine schlechten Vorstellungen, der Opernsänger gibt immer 200%, beeindruckt mit einer eindringlichen, intensiven Darstellung und einer ebensolchen Bühnenpräsenz. Die Stimme sitzt immer perfekt auf den Punkt - so auch bei der Tosca in Verona - und Dank seiner makellosen Diktion kann man jedes Wort, egal in welcher Sprache, glasklar verstehen. Das wiederum erspart dem Zuschauer manchen Blick auf die Übertitel und ermöglicht es sich voll und ganz auf das Bühnengeschehen zu konzentrieren. Zur Partie des Scarpia: es gibt zur Zeit nur sehr wenige Kollegen von Ludovic Tezier, die den Charakter des sadistischen Bösewicht so überzeugend vermitteln. Der 56jährige Franzose hat seine ganz besondere Version entwickelt den Polizeichef darzustellen, nicht offensichtlich brutal sondern hinterhältig, perfide und gewissenlos. Dasselbe gilt beispielsweise auch für die Darstellung des Jago in Guiseppe Verdis Meisterwerk Otello. Eiskalt spielt der Polizeichef mit den Ängsten und Gefühlen seiner Mitmenschen, lockt sie in eine niederträchtige Falle und ergötzt sich an ihrem Leid und der Zerstörung die er mit all seinem Tun verursacht. Ludovic Tezier verursacht seinen Zuschauern ein Gänsehaut und weiß die Menschen im Zuschauerraum in ihre Sitze zu fesseln. Der Klang der Stimme verwandelt sich je nach Situation auf der Bühne, bedrohlich und haßerfüllt in den seltenen Wutausbrüchen Scarpias, abstoßend bei den Übergriffen Tosca gegenüber, triumphierend wenn sein Alter Ego glaubt den Sieg davon getragen zu haben. Zu keiner Sekunde hat man den Eindruck, der französische Opernsänger hätte mit der Hitze und den großen Entfernungen der Bühne zu kämpfen. Die Stimme klingt

makellos, kraftvoll und ausdrucksstark, verfügt über ein großes Spektrum an Klangfarben und gehört zu den schönsten die es derzeit in der Opernwelt zu hören gibt.  Herzlichen Dank und Bravo Ludovic Tezier!


Jonas Kaufmann gab wie seine Kollegin Elena Stikhina in Verona sein Hausdebüt in Puccinis Opernkrimi. Der Maler Mario Cavaradossi ist wie Floria Tosca der Kunst verbunden, engagiert sich aber auch politisch. Sein Herz gehört ganz und gar seiner impulsiven und feurigen Geliebten, die für ihn alles riskiert und am Ende nicht nur einen Mord für diese Liebe begeht, sondern auch bereit ist ihr eigenes Leben zu opfern. Von seinen Kollegen hatte Jonas bezüglich Opernvorstellungen in der Arena die mit Abstand geringsten Erfahrungen. Und so hatte man an einigen Stellen auch den Eindruck, das er manchmal die Größe der Bühne unterschätzte und gezwungen war sich im Laufschritt zu nächsten Szene zu begeben. Die Temperaturen von um die 30 Grad und seine warmen Kostüme machten ihm möglicherweise noch zusätzlich zu schaffen. Die Anstregung war ihm zwischendurch anzusehen, was zur Folge hatte, das die ansonsten gewohnte Spielfreude des deutschen Opernsängers zeitweise etwas eingeschränkt war. In Elena Stikhina insbesondere aber Ludovic Tezier hatte der 55jährige zwei starke Anspielpartner auf der Bühne, die ihn mitrissen und viele Ausdrucksmöglichkeiten boten. Das klingt nun nicht wirklich überzeugend, ist allerdings ein Klagen auf hohem Niveau, so viel soll hier gesagt sein. Im Laufe des Abends fand der deutsche Weltstar mehr und mehr in die Produktion hinein. Die Partie des Mario Cavaradossi ist ohnehin immer noch eine Paraderolle für Jonas Kaufmann, die er liebt und mit viel Leidenschaft ausfüllt. Charmant im ersten Akt, leidenschaftlich und kämpferisch im zweiten Akt, verzweifelt, tief traurig aber auch hoffnungsvoll im dritten Akt. Der Opernsänger konnte auch in Verona alle Facetten seiner Figur zum Ausdruck bringen, glaubwürdig, intensiv und detalliert ausgearbeitet. Die Schmerzensschreie Cavaradossis während der Folterszene gingen durch Mark und Bein, das Vittoria Vittoria war ewig lange ausgehalten und gehörte zu den dramatischen Höhepunkten im zweiten Akt. Zu den Highlights an diesem wunderschönen Opernabend zählen das Te Deum und das Vissi Darte aber selbstverständlich auch das E lucevan le stelle. Während die Stimme von Jonas Kaufmann sich sanft erhob  und er als Mario Cavaradossi ergreifend und von tiefem Schmerz erfüllt Abschied nahm vom Leben und seiner großen Liebe Floria Tosca, erstrahlten die Sterne noch ein wenig heller am Nachthimmel von Verona.

Mille Grazie Jonas Kaufmann! Bravo!

(C) EnneviFoto / Arena di Verona Opera Festival


Mein Fazit dieser Tosca Vorstellung in Traumbesetzung am 30. August 2024 in der Arena di Verona; es dürfte niemanden im Publikum gegeben haben der nicht ergriffen und gleichfalls verzaubert war von dieser magischen Opernnacht unter dem klaren Sternenhimmel von Norditalien. An diesem unvergesslichen Abend ist hoffentlich der eine oder andere Neuling für immer in heißer Liebe entbrannt für die wunderbare  Welt der Oper und eine Kunstform die es für immer gilt zu beschützen und zu bewahren. Der begeisterte Applaus zeigte jedenfalls die unendliche Freude und Dankbarkeit der Zuschauer. Die Sänger auf der Bühne und die Musiker im Orchestergraben nahmen überglücklich, gerührt und zufrieden die Bravorufe ihres Publikums entgegen. Der Schlussapplaus war zwar nicht über die Maßen lang aber dafür um so herzlicher.

An der Bühnentür im Anschluss erschien nur die großartige Tosca des Abends, Elena Stikhina, die sich aber ausreichend Zeit nahm für die Opernfans und ganz unaufgeregt Autogramme gab und Fotos machte. Eine ausgesprochen sympathische und im besten Sinne normale junge Frau. Ihre zwei Bühnenpartner kamen nicht an der Bühnentür vorbei. Jonas Kaufmann ließ sich im Cafe Vittorio Emanuelle von seiner Famillie, seinen Freunden, den Gästen des Lokals und den Zuschauern vor der Absperrung feiern, immer bewacht von den zuständigen Bodyguards. (zu sehen auf dem unten stehenden Video, das der deutsche Weltstar selbst auf seinem Youtube Kanal so wie auf seinen Instagram und Facebook Accounts gepostet hat). Ludovic Tezier folgte seinem Freund und Kollegen etwas später und ließ den Abend ebenfalls in der illustren Runde ausklingen (dieses Mal ohne seine Frau, Sopranistin Cassandre Berthon und dem gemeinsamen Sohn).

Auch die Besucher der Tosca Vorstellung genossen noch ein gemeinsames Dinner oder einfach ein gutes Getränk, um anschließend beseelt von der lauen italienischen Sommernacht und den Klängen der Musik zurück in ihre Hotels und Appartments zu

kehren. Viele von Ihnen werden ziemlich sicher nächstes Jahr wiederkommen zu einer der zahlreichen Opernvorstellungen wie zum Beispiel der Neuproduktion von Nabucco, La Traviata, Carmen, Turandot oder Rigoletto. Vielleicht wird es aber auch ein Galakonzert wie das von Jonas Kaufmann am 3. August 2025, mit dem Titel "Kaufmann in Opera," das am 29. August offiziell mit viel Medienaufwand angekündigt wurde. Tickets für alle Vorstellungen der Saison 2025 sind bereits im Verkauf.

Das war der Sommer 2024 und nach und nach werden die neuen Spielzeiten an den Opern und Konzerthäusern eröffnet. Für mich beginnt die neue Spielzeit, nach einem kurzen Abstecher in Bratislava am 8. September, mit dem Oper für Alle Konzert der Bayerischen Staatsoper am 20. September in Oberammergau.


            Kein Bild, kein Wort kann das Eigenste und Innerste

                        des Herzens aussprechen wie die Musik.

             Ihre Innigkeit ist unvergleichlich, sie ist unersetzlich!

                                         (Friedrich Theodor Vischer)