(C) Julia Wesely / Musikverein Wien
Ein wenig Musikgeschichte zu Beginn...
Am Abend des 21.September 2024 wurde im geschichtsträchtigen Musikverein in Wien "Die schöne Müllerin" von Franz Schubert zu Gehör gebracht. Bevor es mit den
Eindrücken von diesem ganz besonderen Konzerterlebnis weitergeht gibt es zunächst ein wenig Hintergrundinformationen zum besseren Verständnis. Bei Wikipedia steht folgendes über den
österreichischen Komponisten zu lesen; Franz Schubert, der am 31. Januar 1797 in Wien geboren wurde und dort auch am 19. November 1828, mit gerade 31 Jahren starb, gilt neben Ludwig van Beethoven
als Begünder der romantischen Musik. Wie Beethoven, ist Schubert eine Übergangsfigur. Einige seiner Musikstücke, insbesondere seine früheren Instrumentalkompositionen, tendieren zu einem ehere
klassischen Ansatz. Die melodische und harmonische Innovation in seinen Kunstliedern und späteren Instrumentalwerken steht jedoch in der romantischen Tradition. Franz Schubert hat u.a. über 600
Lieder geschrieben. Sein Talent schöne Melodien zu erschaffen, bleibt in der Musikgeschichte nahezu unübertroffen. Des weiteren ist bei Wikipedia über "Die schöne Müllerin" (op25, D795) folgendes
zu lesen; Die Textbasis des Zyklus ist die Gedichtsammlung "Die schöne Müllerin" von Wilhelm Müller, die in den sieben und siebzig nachgelassenen Gedichten aus den Papieren eines reisenden
Waldhornisten enthalten ist. Schubert hat von den 25 Gedichten 20 vertont, wodurch die vom Dichter intendierte Ironie im romantischen Sinne und der pessimistische Schluss aufgehoben wurden. Der
Inhalt bezieht sich - biographischen Quellen und Briefen zufolge - auf Müllers unerfüllter Liebe zu Luise Hensel. Wer sich noch mehr über dieses Werk von Franz Schubert informieren möchte, findet
dazu nicht nur auf Wikipedia, sondern auch generell im Internet zahlreiche weitere Möglichkeiten. Wer lieber zu einem Buch greift, der wird in ausgesuchten Buchhandlungen und Musikabteilungen
sicher fündig werden. Hier gibt es abschließend noch einen letzten Absatz von Wikipedia zur Interpretation der schönen Müllerin: Die ersten Lieder des Zyklus sind freudig und vorwärts drängend
komponiert, was sich auch in der schnellen - meist in Sechzehntelnoten gehaltenen -
Klavierbegleitung niederschlägt. Der zweite Teil des Liederzyklus schlägt dann in Resignation, Wehmut und ohnmächtigen Zorn um und ähnelt in seiner Todessehnsucht dem zweiten großen vokalen Werk von Schubert: "Die Winterreise".
Die Hälfte der Titel des zweiten Teils sind deshalb bezeichnenderweise in Moll gehalten. Die Grenzen zwischen unbändigem Lebenswillen, Angst und Verzagtheit, Wehmut bis hin zur Depression sind in beiden Werken weit ausgelotet. In der Komposition spiegelt sich neben Schuberts eigener unglücklicher Liebe auch seine von schwerer Krankheit geprägte Lebensstimmung. Wie die zwei Ausnahmekünstler Jonas Kaufmann und Rudolf Buchbinder, dieses Werk von Franz Schubert auf der Bühne des goldenen Saal im Musikverein Wien interpretiert haben, ist in den nächsten Abschnitten zu lesen.
(C) Julia Wesely / Musikverein Wien
Jonas Kaufmann taucht tief ein die Gefühlswelten des jungen
Müllersburschen
Der deutsche Weltstar ist einer der sensibelsten Geschichtenerzähler und zählt seit mindestens 15 Jahren zu den besten Liedsängern weltweit. Eindringlich und
sehr detalliert gestaltet er Text und Gesang und schafft eine dichte Atmosphäre und lässt die Gefühlswelten der Figuren über die er singt lebendig und sichtbar werden. Jonas Kaufmann nahm sein
Publikum mit in die Seelenwelt eines jungen Menschen der eigentlich noch sein ganzes Leben vor sich hat, letztendlich aber an seinen eigenen Gefühlen scheitert. Im Laufe seiner Wanderschaft
durchlebt der Jüngling in Franz Schuberts Schöner Müllerin; Liebe, Freude, Glück, Leidenschaft, Zuversicht, Eifersucht, Zorn, Wehmut, Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit, Traurigkeit und eine tiefe
Sehnsucht nach dem Tode. Diese emotionale Reise durchlebt auch Jonas Kaufmann mit seinem Gesang, die Qual der unerwiderten Gefühle, den Wunsch nach einer Partnerin und Gefährtin die sich nicht
erfüllt. Tief tauchte der erfahrene Liedsänger in das Innenleben des Protagonisten ein und vermittelte durch eine sehr authentische, intensive und im Detail ausgearbeitete Interpretation dessen
Handeln und Tun und die am Ende sehr drastische Entscheidung für den Suizid am Ende. Dabei setzte der deutsche Weltstar ganz bewusst und behutsam die ihm vielfältig zur Verfügung stehenden
gestalterischen Mittel ein, seine Opernstimme kam nur hin und wieder bei den verzweifelten oder zornigen Ausbrüchen des jungen Müllersburschen zum Tragen. Im Gegensatz dazu, berührte Jonas
Kaufmann ganz besonders in den stillen und phragilen Momenten und konnte die Konzertbesucher damit in seinen Bann ziehen. Zarteste Piani bildeten den starken und notwendigen Kontrast zu den
Gefühlsexplosionen wenn Zorn und Eifersucht den jungen Mann überwältigen. Der erfahrene Opernsänger verfügt über eine Anzahl an Klangfarben und Schattierungen in der Stimme, die ihm erlauben eine
besonders vielschichtige und ausdrucksstarke Gestaltung zu erschaffen. Sein baritonal gefärbter Tenor passt zudem sehr gut für den Liederzyklus der Schönen Müllerin, wobei an diesem Abend auch
die Höhe 👌 saß. Zuletzt sei noch unbedingt die makellose Diktion des 55 jährigen erwähnt, die immer wieder beeindruckend ist. Jedes einzelne Wort ist glasklar zu verstehen und ermöglicht so dem
Zuhörer sich ganz und gar auf die wunderschöne Musik einzulassen. Ein ganz besonderer Glücksfall.
(C) Julia Wesely / Musikverein Wien
Rudolf Buchbinder - Ein wunderbarer und intelligenter Gestalter
am Klavier
Rudolf Buchbinder kann den Begriff (Lied)begleiter so überhaupt nicht ausstehen und wehrt sich vehement dagegen. Man begleite jemanden in ein Restaurant aber nicht beim Liedgesang. Zu Recht, der Pianist gehört selber weltweit zu den Stars im
Klassik Musik Buisness und ist ein Partner ganz auf Augenhöhe. Zudem zählt der österreichische Musiker zu den ganz großen Kennern von Franz Schuberts Werken und
widmet die Spielzeit 2024/25 im Musikverein Wien exclusiv diesem Komponisten. So lohnte es sich an diesem Abend auch immer wieder auf den Pianisten und sein Spiel zu lenken. Rudolf Buchbinder
bereitete dem deutschen Tenor einen perfekten und wunderschönen Klangteppich und erzählte parallel zu den gesungenen Texten, die Geschichte des jungen Müllergesellen mit seinem überragenden
Klavierspiel. Besonders während der ersten Hälfte des Liederzyklus sah man immer wieder ein Lächeln auf dem Gesicht des 77 jährigen Pianisten aufblitzen und man konnte meinen das dieser die Texte
stumm mitsang. Während des gesamten Abend war eine angenehme Harmonie zwischen den zwei Künstlern zu spüren und ein perfekt aufeinander abgestimmtes Spiel und Gesang. Dabei hat der Pianist Rudolf
Buchbinder den Sänger Jonas Kaufmann durchaus einige Male bezüglich seiner ambitionierten Tempi herausgefordert, die dieser aber natürlich problemlos parrieren konnte. So waren Beide den gesamten
Arbeit eine perfekte Einheit, die ihr aufmerksames und überwiegend diszipliniertes Publikum in ihren Bann zogen.
(C) Julia Wesely / Musikverein Wien
Abschließende Worte über einen außergewöhnlichen Abend...
Ein paar Sekunden mehr Ruhe und Besinnung hätte man sich gewünscht, nachdem der letzte Ton verklungen war und den zwei Künstlern auf der Bühne des Musikverein
in Wien ging es womöglich ähnlich. Jonas Kaufmann und Rudolf Buchbinder ein neues musikalisches Traum Duo auf den Brettern die die Welt bedeuten? Eines kann man auf jeden Fall schon sagen; die
Chemie stimmt zu 100 Prozent, das war von der ersten bis zur letzten Sekunde zu spüren. Die zwei Weltstars schwimmen auf der gleichen Welle, leben für ihren Beruf und sind vereint in der selben
Leidenschaft für das was sie tun und lieben. Auch der große Respekt voreinander ist nicht zu übersehen. Beide schätzen sich und hatten viel Spaß zusammen auf der Bühne aber auch Backstage. Wie
auch zwischen Kaufmann und seinem ehemaligen Professor Helmut Deutsch trennt die zwei mehr als zwanzig Jahre aber auch hier begegnen sich zwei Künstler auf Augenhöhe und erschaffen gemeinsam
etwas Wunderbares und Unvergessliches. Jonas Kaufmann und Rudolf Buchbinder, das matcht perfekt.
So sah es auch das überwiegend aus Wien stammende Publikum an diesem Abend und feierte die beiden Musiker ausgiebig und mit großer Begeisterung. Diese nahmen die Zuneigung ihres Publikums gerührt und mit großem Dank entgegen und gaben als Belohnung drei Zugaben, ebenfalls Lieder aus der Feder von Franz Schubert; "Die Forelle", " Der Jüngling an der Quelle" und "Der Musensohn". Die Konzertbesucher, insgesamt sehr aufmerksam, konzentriert und diszipliniert nahmen diese drei kleinen zusätzlichen Geschenke ihrerseits glücklich und dankbar entgegen. Warum nach dem Ende der dritten Zugabe plötzlich, weitgehend, alle Zuschauer aufsprangen und fluchtartig den goldenen Saal des Musikverein verließen, bleibt ein gewisses Rätsel. Nichts desto trotz darf man diesen Abend ohne Abstriche als außergewöhnlich bezeichnen, den niemand so schnell vergessen wird. Rudolf Buchbinder kehrt bereits am 7. November zurück in den Musikverein für ein Konzert mit den Klaviertrios D898 & D929 in Begleitung von Hillary Hahn und Gautier Capucon. Jonas Kaufmann gibt am 4. April 2025 einen Liederabend gemeinsam mit seiner Kollegin Diana Damrau und ihrem gemeinsamen langjährigen Pianisten und Liedbegleiter Professor Helmut Deutsch. Der in München geborene Tenor ist allerdings bereits am 13. Oktober mit dem zweiten Konzert seiner Puccini Tour im Wiener Konzerthaus zu erleben. Mit ihm auf der Bühne, die italienische Sopranistin Maria Agresta und der deutsche Dirigent Jochen Rieder.
(C) Julia Wesely / Musikverein Wien
Wer die Musik liebt,
kann nie ganz unglücklich werden
(Franz Schubert)