Weihnachten mit Jonas Kaufmann im wunderschönen Wiener Konzerthaus - It's Christmas in Vienna!

       Von Hannah Klug / Wunderbare Welt der Oper

                     23. Dezember 2021

(C) Barbara Horstmann / Wien


Es war im Wiener Konzerthaus das letzte Konzert der ohnehin schon arg zusammengeschrumpften Weihnachtstournee von Startenor Jonas Kaufmann, der nun auch endlich vor einem Live-Publikum den Inhalt seines Weihnachtslieder-Albums präsentieren konnte, das zudem im Oktober als Extended Version auf dem Musikmarkt erschien (siehe unter CD- und DVD-Rezensionen auf diesem Blog). Bei Bekanntgabe der neuen Tourdaten im letzten Jahr waren bereits Frankfurt und Paris aus organisatorischen Gründen von der Liste gestrichen worden. Kurz vor Beginn der Tournee waren dann auch noch die Konzerte in München und London abgesagt worden. So blieben letztendlich nur die Auftritte in Mannheim (12.12.), Düsseldorf (18.12.), Hannover (20.12.) und eben Wien am 22.12.2021. Das Konzert in Wien war übrigens das einzige, das tatsächlich mehr oder weniger ausverkauft war. Ein paar wenige Plätze sind auch aus anderen Gründen frei geblieben. Bedauerlicherweise hat man es auch im Wiener Konzerthaus nicht geschafft, ein wenig weihnachtliche Atmosphäre zu verbreiten, indem man den wunderschönen Saal noch ein wenig festlicher schmückt. Warum das am Ende so war, erschließt sich mir nicht. Der Stimmung tat das aber keinen Abbruch. Die Menschen, die an diesem Abend erschienen waren, um den deutschen Weltstar mit seinem Weihnachtsprogramm zu erleben, waren wohl einfach nur froh, gut zweieinhalb Stunden Unbeschwertheit und das Glück eines vollbesetzten Konzertsaals zu erleben, wenn auch mit Nachweis von 2G+ und FFP2-Maske.

 

(C) Barbara Horstmann / Wien


Der Abend war, wie auch die CD, in einen Teil mit deutschen Titeln und einen mit internationalen Titeln eingeteilt. Zwischenzeitlich hatte das Orchester der Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz auch Gelegenheit zu zeigen, was es zu leisten in der Lage ist. Leider hatte Jochen Rieder, der Dirigent des Abends und Dauerbegleiter bei Konzerten des Münchner Ausnahmesängers in der Opernwelt, die Lautstärke seines Orchesters nicht immer im Griff, was über längere Strecken in den Ohren schmerzte. Somit musste Jonas Kaufmann immer wieder Gas geben an Stellen, an denen er sich das sicherlich nicht gewünscht oder es geplant hatte. Erstaunlich leicht und beschwingt klangen die Musiker der Staatsphilharmonie dagegen bei den Titeln des Swings im zweiten Teil. Für diese Leistung gab es dann auch den verdienten Applaus. Und auch sonst war das Publikum in Wien, das nun wirklich von den weltbesten Orchestern und Dirigenten verwöhnt ist, den Musikern und ihrem Dirigenten sehr freundlich zugetan und spendete reichlich Applaus und Anerkennung.

(C) Barbara Horstmann / Wien


Nun zu dem Künstler, der Grund für das Erscheinen der überwiegend  weiblichen Musikfans an diesem Abend war, der deutsche Opernsänger und Weltstar Jonas Kaufmann. Nach einem kleinen Intro der Deutschen Staatsphilharmonie Reinland-Pfalz war es endlich soweit, und der sympathische Ausnahmesänger erhob seine wunderschöne Stimme - zuerst für eine kleine Begrüßungsrede und dann für den ersten Titel in diesem Weihnachtskonzert "In dulci jubilo" von Michael Praetorius in einer Bearbeitung von Wieland Reissmann aus dem Jahre 1619 in Deutsch und Latein., gefolgt von "Alle Jahre wieder", "Kommet, ihr Hirten!,", "Ihr Kinderlein kommet" und einem der schönsten Weihnachtslieder von Johann Sebastian Bach, "Ich steh' an deiner Krippen hier". Das gesamte Programm, inklusive der sechs Zugaben, ist noch auf der Website des Wiener Konzerthauses abzurufen. Die klassischen deutschsprachigen Weihnachtslieder liegen dem 52-Jährigen sehr gut, und man spürt, wie sehr er damit vertraut ist. Ganz natürlich und ohne opernhafte Ausbrüche bringt er die vertrauten Melodien seinem aufmerksamen Publikum dar. Bedauerlicherweise gab es diesbezüglich auch einige Ausnahmen. Es wurde zumindest in der linken Hälfte im Parterre fleißig während des Konzerts gefilmt. Zwei Tage vorher in Hannover hatte der Weltstar noch darauf hingewiesen, dass es nicht nur nicht gestattet sei mitzusingen, sondern auch mitzufilmen. Da dieser Hinweis am Abend des 22. Dezember ausblieb, sah der eine oder andere Besucher dies als Einladung an, größere Teile des Konzerts mit seinem Smartphone aufzuzeichnen. Nun aber zurück zur Musik und zu einem der besten und erfolgreichsten Opernsänger auf den Bühnen in ganz Europa und der Welt: Jonas Kaufmann, der es offensichtlich sehr genoss, vor einem vollbesetzten Saal zu singen, und entspannt und gelöst wirkte.

Das Publikum war ganz bei ihm, auch wenn die Stimmung vielleicht nicht ganz so euphorisch war, wie man es ansonsten in Wien gewohnt ist. Das mag natürlich auch an dem Programm liegen. Es würde wahrscheinlich ein wenig befremdlich anmuten, wenn man nach einem Lied wie "Ich steh' an deiner Krippen hier" Bravo-Rufe vernehmen würde. Das kundige Wiener Publikum weiß halt einfach, was sich gehört bzw. was passt. Ein wenig lebhafter wurde es dann aber doch im zweiten Teil des Konzertes, selbst wenn die ruhige und besinnliche Linie weitergeführt wurde.

(C) Barbara Horstmann / Wien


Eröffnet wurde der zweite Teil des Weihnachtskonzertes mit "What child is this", "In the bleak midwinter" und "Hark, the herald angels sing". Ein sehr gefälliger Einstieg und Melodien, die der Stimme des Münchner Tenors wirklich gut liegen. Dasselbe gilt für den Welthit "Have yourself a merry little Christmas", "Chestnuts roasting on an open fire" oder natürlich "Stille Nacht", gesungen auf Deutsch und Englisch. Als Highlight der zweiten Konzerthälfte darf man, abgesehen von den Zugaben, getrost "Minuit, chrétiens (Cantique de Noël) / O holy night" bezeichnen. Nicht zuletzt, weil man genau da die beeindruckende und ausdrucksstarke Opernstimme von Jonas Kaufmann vernehmen konnte. Bevor ich zum Abschluss und den wunderschönen Zugaben komme, ein paar Worte noch zu den Swing-Titeln an diesem Abend, auf die man gut hätte verzichten können. Zum einen wollten sich diese nicht wirklich harmonisch in das bestehende Programm einfügen, zum anderen wirkten sie, vorgetragen vom deutschen Weltstar, wenig inspirierend, und die entsprechende Stimmung wollte sich nicht so recht einstellen. Der sympathische Künstler hatte so seine Mühe, die notwendige Lässigkeit, die es für diese Art von Musik braucht, zu vermitteln. Die Bewegungen wirkten ein wenig steif und einstudiert. Die ansonsten bei ihm bekannte und geschätzte natürliche Ausdrucksweise fehlte gänzlich. Und auch die phonetische Aussprache, habe ich mir sagen lassen, war nicht authentisch, ein entsprechendes Sprachtraining wäre notwendig. Letzteres betrifft auch die ruhigen amerikanischen Weihnachts-Welthits. Für mich persönlich hatte dieser Punkt nur zum Teil einen störenden Effekt. Das waren aber auch schon die wenigen Kritikpunkte diesen Abend betreffend. Abschließend möchte ich noch die Zugaben erwähnen, die mit "O du fröhliche" eingeleitet wurden. Das darauf folgende Weihnachtslied ist für mich eins, das mich jedes Mal wieder tief berührt, "Maria durch ein' Dornwald ging". Mit "Trois anges sont venus ce soir" kam neben "Minuit, chrétiens" das zweite französische Weihnachtslied zu Gehör. Zwei wunderschöne alpenländische Weihnachtslieder, "Still, still, still" und "Es wird scho glei dumpa", nur begleitet von der Harfe, verbreiteten ganz besonders stimmungsvoll den Zauber der bevorstehenden Festtage. Mit der in sanftes Licht getauchten Bühne wirkte alles so friedlich, und während es ganz still wurde, spürte jeder im Saal des Wiener Konzerthauses diesen ganz besonderen Zauber. Am Ende wollten die Zuschauer Jonas Kaufmann aber nicht einfach ziehen lassen, der allen Zuschauern bereits ein wunderschönes und friedliches Weihnachtsfest gewünscht hatte. Standing Ovations, begeisterter Applaus und Bravo-Rufe bewegten den überaus dankbaren und gerührten Opernsänger noch zu einer letzten Zugabe, bevor er sich endgültig in die wohlverdienten Weihnachtsferien verabschiedete. Und so endete dieses Weihnachtskonzert dann mit einer Wiederholung aus dem offiziellen Programm, und der sympathische Weltstar wünschte allen Zuschauern zum Abschluss "Have yourself a merry little Christmas".

(C) Barbara Horstmann / Wien


Danke für ein wirklich schönes Konzert, lieber Jonas Kaufmann, und danke für das Gefühl von Weihnachten, zweieinhalb Stunden Besinnlichkeit und die Gelegenheit, dem Stress des Alltags zu entkommen, wenn auch nur für kurze Zeit. Dank gesagt sei auch der Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz und ihrem Dirigenten auf dieser Mini-Tournee, Jochen Rieder. Und natürlich danke an das Wiener Konzerthaus, selbst wenn es keine Weihnachtsdekoration gab, für die gute und unaufgeregte Organisation an diesem Abend. Wir sehen uns wieder, spätestens im nächsten Jahr. Dann steht ein weiteres spannendes Rollendebüt für Jonas Kaufmann an der Wiener Staatsoper an, ebenso wie für seine wunderbare junge norwegische Kollegin Lise Davidsen. Vervollständigen wird das Trio Bryn Terfel, mit dem der Münchner Opernsänger schon oft zusammen auf der Bühne gestanden hat.

Selbstverständlich dreht sich im Gegensatz zu einem anderen "Opernblog" oder soll ich lieber sagen "Kaufmann-Blog", der mir vor kurzem wieder einmal untergekommen ist, nicht alles um diesen einen Sänger. Bleibt aufmerksam und lasst Euch einfach überraschen. Ich habe für das kommende Jahr einige spannende Neuerungen geplant. Jetzt wünsche ich erst einmal all meinen Lesern noch ein paar ruhige Tage und einen guten Rutsch in ein hoffentlich gesundes, halbwegs normales und wunderschönes Jahr 2022!

(C) Gregor Hohenberg / Sony Classical


            Musik ist die Beschreibung der Welt

                   ohne Worte und Begriffe.

              Sie ist die Philosophie der Gefühle

 

                         (Carl Ludwig Schleich)