Von Hannah Klug / Wunderbare Welt der Oper
10. Juni 2022
(C) Barbara Horstmann / Wien
Ich muss gestehen, dass ich am Tag des 8. Juni 2022 nicht wirklich gut aufgelegt war und zusätzlich auch noch mit Kopfweh und Kreislaufproblemen zu kämpfen hatte. Keine optimale Voraussetzung also für einen entspannten und unbeschwerten Abend. Aber erstens lässt man eine schöne Eintrittskarte nur ungern verfallen, vor allem nicht in einer so wunderbaren Location wie "Theater im Park". Wenn dann auch noch zahlreiche liebe Freunde dort warten, reißt man sich zusammen und macht sich auf den Weg. Nachdem auch noch Petrus ein Einsehen zu haben schien, gab es auch für mich keine Ausrede mehr, auf dem Hotelzimmer zu bleiben und auf eineinhalb vermutlich sehr unterhaltsame Stunden zu verzichten. Und ich sollte nicht enttäuscht werden. Jonas Kaufmann, seines Zeichens Startenor mit deutsch-österreichischer Doppelstaatsbürgerschaft, und sein ehemaliger Professor aus Zeiten des Gesangsstudiums in München, Helmut Deutsch, hatten sich für dieses Jahr wirklich ein neues Programm überlegt und präsentierten ihrem Publikum eine ausgesprochen unterhaltsame Auswahl von drei Blöcken, ergänzt von sechs Zugaben. Dazu später mehr. So war der Liederabend in den Gärten des Schloss Belvedere bis auf ein paar wenige Plätze ausverkauft. Der Anteil der überwiegend weiblichen Fans von Jonas Kaufmann dürfte nicht ganz unbeträchtlich gewesen sein. Insgesamt war das Publikum am Mittwochabend aber sehr gemischt - vom spontanen Konzertbesucher bis hin zum kundigen Opern- und Liedkenner. In jedem Fall war die Stimmung ausgezeichnet!
(C) Barbara Horstmann / Wien
Nach einer kleinen Stärkung ging es also zu den gebuchten Plätzen, und um kurz nach acht betraten die zwei Künstler, stürmisch begrüßt, die Bühne des "Theater im Park". Das Wetter hat, wie bereits kurz erwähnt, den ganzen Abend gehalten. Die Besucher der vorangegangenen Abende hatten da leider ein wenig Pech, wie der deutsche Opernsänger mit einem Augenzwinkern anmerkte. Nach einer kleinen Begrüßung, begannen Jonas Kaufmann und Helmut Deutsch mit dem ersten Programmteil, einem wunderbar zusammengestellten Querschnitt der CD-Aufnahme "Selige Stunde". Die Auswahl der Lieder war ein wenig gefälliger und leichter als die in den ersten zwei Jahren gewählten Lieder von Richard Strauss und den meisten Zuschauern wahrscheinlich sehr viel vetrauter im Ohr. Auch was den Applaus zwischen den einzelnen Liedern anging, waren der geborene Münchner und sein Pianist nachsichtiger. Während der Darbietungen konnten die zwei aber auf ein respektvolles und aufmerksames Publikum bauen. Der eine oder andere hat möglicherweise an diesem Abend den Liedgesang für sich entdeckt. Jonas Kaufmann war nach ein paar kleinen Hustenattacken und einer leicht kratzigen Stimme bestens in Form und verzauberte seine Zuschauer mit wunderschönen Melodien und einer einfühlsamen Interpretation. An seiner Seite, seit mitlerweile 30 Jahren, Professor Helmut Deutsch, einer der führender Liedbegleiter weltweit und ein überragender Pianist. Ohne ihn wäre so ein Abend nicht denkbar, und seit langer Zeit kommen die Musikfans auch um seinetwillen, um seinem Spiel zu lauschen. Er trägt seinen ehemaligen Gesangsstudenten auf Händen, bietet ihm einen Klangteppich, auf dem dieser sich sorgenfrei entfalten kann und der seine wunderschöne Stimme noch mehr zum Ausdruck bringt. Ein "Dream Team", das seit über drei Jahrzehnten auf den Konzertbühnen der Welt Erfolge feiert und zwei Künstler die inzwischen eine tiefe Freundschaft verbindet. Genau diese Verbundenheit und ihr blindes Verständnis spürt auch das Publikum in jeder Sekunde und macht jeden Liederabend zu einem ganz besonderen Erlebnis.
(C) Barbara Horstmann / Wien
Nach dem ersten etwas besinnlicheren Teil des Liederabends wurde es dann umgehend sehr viel beschwingter, und der deutsche Weltstar löste mit dem ersten Wienerlied auch die ersten Lacher im Publikum aus. Dass der 52-Jährige ein wahres Chamäleon in Sachen Dialekt und Akzent ist, dürfte zumindest seinen Fans bestens bekannt sein. Dazu kommt ein ausgesprochen großes schauspielerisches Talent, das er immer wieder auf den Opernbühnen der Welt in seinen vielschichtigen Rolleninterpretationen unter Beweis stellt.
Dass Jonas Kaufmann jedoch auch über ein ausgeprägtes komödiantisches Talent verfügt, war vielleicht nicht jedem bekannt. Es macht dem Sänger eine geradezu diebische Freude, auch diese kleinen Geschichten und ihre Protagonisten mit einem Augenzwinkern und viel Humor auf der Bühne zum Leben zu erwecken. So auch am Abend des 8. Juni im "Theater im Park" in Wien. Insbesondere das Wienerlied bot dem Künstler eine Vielzahl an Interpretationsmöglichkeiten. Ganz weit vorne lagen da seine Hans-Moser-Darbietungen, der ja gerne in seinen Rollen das eine oder andere Glas Wein zu sich nahm und nicht selten recht angeheitert und philosophierend durch seine Filme stolperte. Der Abend war hinsichtlich des Programms überhaupt recht "weinbetont". Glücklicherweise erbarmte sich irgendwann ein gnädiger Zuschauer und organisierte jeweils ein Glas Wein für die zwei Künstler, die ihre Erfrischung dankbar entgegennahmen. Insbesondere Jonas Kaufmann, der sich zwischendurch schon scherzhaft beschwert hatte, dass es doch ziemlich gemein sei, die ganze Zeit mit einer trockenen Kehle singen zu müssen, während die Texte ständig vom Wein handelten. Am Ende des Abends war das Glas des deutschen Weltstars übrigens geleert. Man darf aber davon ausgehen, dass es später noch ein wenig Nachschub gab. Das anfangs noch gut gefüllte Glas unterstrich sehr überzeugend die bestens gelaunten und ziemlich beschwipsten besungenen Charaktere, die schwankend und lallend in Person des deutschen Opernsängers auf der Bühne standen und ihre manchmal leicht wirren gedanklichen Ergüsse von sich gaben. Und der gebürtige Münchner genoss es ganz offensichtlich ungemein, sich endlich auch mal unbeschwert auszutoben, drehte zunehmend auf und versprühte eine solche Freude, dass das Publikum einen Lachanfall nach dem nächsten bekam und sich voller Begeisterung mit lauten "Bravo, Bravo" Rufen und stürmischem Applaus bei den zwei Künstlern bedankte. Dass die zwei auf der Bühne einen unbändigen Spaß mit diesem Programm hatten, war in jeder Sekunde spürbar.
(C) Barbara Horstmann / Wien
Im letzten Teil vor den Zugaben, nahmen der italophile Opernsänger und sein kongenialer Partner am Klavier ihre Zuschauer noch für einige wunderschöne Canzoni mit nach Bella Italia. Das stellte zwar ein ziemliches Kontrastprogramm dar, wurde aber dankbar aufgenommen und zauberte ein wenig Urlaubsstimmung und Vorfreude auf den kommenden Sommer auf die Bühne. Und so träumte sich der eine oder andere an seinen Lieblingsort in Italien, das auch das erklärte Sehnsuchtsland des vielbeschäftigten Weltstars ist, in das er immer wieder so gerne zurückkehrt. Die Reise in das "Land, wo die Zitronen blühen", war leider nach der dritten Darbietung vorbei, und es ging musikalisch zurück nach Wien. Nach einer kurzen und ziemlich amüsant dargebrachten Erklärung bezüglich der weiteren Gestaltung des Abends - offensichtlich hatte der deutsche Opernsänger ursprünglich etwas anderes geplant - ging es weiter mit den Zugaben, sechs an der Zahl, alles Wienerlieder. Das war selbstverständlich überhaupt kein Problem. Dem immer noch bestens aufgelegten Jonas Kaufmann passte die spontane Planänderung sehr gut ins Konzept und so ging's weiter mit dem Feuerwerk der guten Laune, diversen Lachanfällen im Publikum, zum Ausklang auch gemischt mit ein klein wenig Wehmut. Geendet hat der Abend, wie konnte es auch anders sein, mit "Wien, Du Stadt meiner Träume"! Am Ende toste der Applaus durch das "Theater im Park", und die zwei strahlenden Künstler nahmen nicht nur reichlich Geschenke sondern auch die stürmische Begeisterung der Konzertbesucher entgegen.
Meine persönlichen Highlights waren vor allem das Repertoire der zahlreichen Wienerlieder: "Powidltatschkerln", "Spompernadeln", "I bin a stiller Zecher",
"A guater Tropfen, so dreimal täglich", "Die Reblaus", "Ach, Sie sind mir so bekannt", "Wenn der Herrgott net will".
Ich hätte mich aber auch noch über die eine odere andere italienische Canzone gefreut oder auch zumindest einen weiteren Ausschnitt aus der "Seligen Stunde". Es war ein sehr spezielles und durchaus persönliches Programm. Danke schön, JONAS KAUFMANN UND HELMUT DEUTSCH, für einen fantastischen, unterhaltsamen und kurzweiligen Abend!
Die nächste Reise geht dann Mitte Juli nach London und ins Royal Opera House, für die Doppelvorstellung von "Cavalleria rusticana" und "I Pagliacci" mit
Jonas Kaufmann in beiden Hauptpartien, Ermonela Jaho, die ihr Debüt als Nedda geben wird, und Anita Rachvelishvili als Santuzza. Meine Werkeinführung zu beiden Opern wird es dann in den nächsten Wochen hier zu lesen geben. Alles Weitere werde ich spontan entscheiden, je nachdem, wie die Um- und Neugestaltung meines Blogs vorangeht. So viel sei verraten, es gibt einige Änderungen, inklusive des Namens! Mehr dazu, wenn es soweit ist.
Jetzt wünsche ich Euch allen eine gute Zeit, und wie immer sage ich Euch: Bleibt mir bitte gesund!
(C) Barbara Horstmann / Wien
Es ist nicht erforderlich, Musik zu verstehen.
Man braucht sie nur zu genießen.
(Leopold Stokowski)