14. Juni 2020
(C) Wilfried Hösl / Bayerische Staatsoper
Gestern Abend war es soweit, nach mehr als drei Monaten betrat ich gestern Abend punkt 21:00 Uhr mein geliebtes Münchner Nationaltheater. Ich war über die Maßen glücklich und hätte mir jede nur erdenkliche Veranstaltung angeschaut, nur um endlich wieder an diesen wunderschönen und magischen Ort zu gelangen. Auch die Bayerische Staatsoper hat sich für die Opernliebhaber in München und aller Welt einiges ausgedacht um die Zeit des Lockdowns und der zahlreichen Ein- und Beschränkungen gut zu überstehen. Die Montagskonzerte der Bayerischen Staatsoper z.B. laufen mit einer kurzen, von der
Regierung verordneten Pause ,seit ca 11 Wochen jeden Montag im Internet auf Staatsopern TV.
Und dieses Format wurde von der ersten Übertragung an mit großer Begeisterung angenommen. Auf der Bühne des Nationaltheater sind Musiker, Sänger und Tänzer der Bayerischen Staatsoper und des Bayerischen Staatsballetes zu erleben. Es handelt sich dabei sowohl um feste Ensemblemitglieder als auch um Gäste. Letzteres betrifft vor allem die auftretenden Sänger bei den Montagskonzerten.
Das erste Konzert bestritten beispielsweise Christian Gerhaher und Christine Landshammer, Christian Gerhaher war im Verlauf noch einmal mit Gerold Huber zu erleben. Letzterer begleitete dann noch einmal Tareq Nazmi am Klavier. Weitere Gästen waren der Münchner Opernsänger Jonas Kaufmann zusammen mit Professor Helmut Deutsch sowie Günther Groissböck und Hanna Elisabeth Müller.
Bisher fand diese Veranstaltung ausschließlich ohne Zuschauer statt. Ab morgen gibt es eine entscheidene Änderung. 50 Zuschauer haben ab dem 15. Juni die Gelegenheit das 11. Montagskonzert im Nationaltheater mitzuerleben. Die Karten für die Plätze im Balkon und 1. Rang waren innerhalb von 15 Minuten ausverkauft. Die Anfrage war, nicht überraschend, deutlich höher als die zu Verfügung stehenden Plätze. Wer keine Karte ergattern konnte, hat aber trotzdem die Gelegenheit, das Konzert wie immer live im Internet mitzuerleben. Am 22. und 29. Juni gibt es dann noch zwei weitere Chancen.
Den Abschluss bildet am 29. Juni das 13. Montagskonzert, das auch gleichzeitig das Ende der Spielzeit 2019/20 bedeutet. Dann sind vor allem der scheidende Generalmusikdirektor Kirill Petrenko mit dem Bayerischen Staatsorchester zu erleben. Und auch der deutsche Opernsängern und Münchner Weltstar Jonas Kaufmann gibt sich die Ehre. Er ist fast immer beim Saisonabschluss dabei, der dieses Jahr aufgrund der aktuellen Lage ein anderes Gesicht hat. Alle Informationen über diese und alle anderen Veranstaltungen der Bayerischen Staatsoper sind auf der offiziellen Website des Opernhauses zu finden. Dort zu finden sind auch die speziellen Buchungsbedingungen und die entsprechenden Hygienevorschriften.
Es ist also ein Anfang gemacht, die Kunst, Kultur und Musik zurück ins Leben zu bringen und zurück zu den Menschen. Bis die Normalität wieder unser Leben bestimmt, wird noch eine ganze Weile vergehen.
Es werden viele kleine Schritte notwendig sein und eine langer Atem, bis alles wieder den gewohnten Ablauf hat. Diese Tatsache scheint neben der Hotellerie und der Gastronomie vor allem die Branche der Kunst, Kultur und Musik zu betreffen. Hier ist die Not am größten und die Hilfe am notwendigsten. Und auch wenn die Anfänge gemmacht sind, braucht es dringend weitere Lösungswege, damit vor allem die jungen freischaffenden Künstler eine Chance haben, ihren Beruf als Sänger und Musiker auch in der Zukunft weiter auszuüben. Die Situation ist nach wie vor kritisch, auch wenn man hier und da den Eindruck gewinnt, dass alles gut zu sein oder zu werden scheint. Die Idylle trügt. 50 Zuschauer in München, 100 in Wien oder 300 in Genf. In Häusern mit 2200 Plätzen sitzen im Schachbrettmuster die Zuschauer und lauschen den ersten Erlebnissen nach so vielen Wochen des Verzichts. Und die Künstler, Sänger, Musiker, Schauspieler genießen es endlich wieder, live vor Publikum aufzutreten und den direkten Kontakt zu spüren. Dieses betrifft allerdings in erster Linie die Künstler, die schon einen Namen haben, die man kennt und die letztendlich keine größeren finanziellen Sorgen haben. Auch in der Zeit ohne Auftritte vor Publikum gab es Möglichkeiten, aufzutreten, zu unterrichten oder eine CD aufzunehmen. Viele der freischaffenden Künstler haben diese Gelegenheit einfach nicht und kämpfen weiter um ihre Existenz. Weltstar Jonas Kaufmann macht sich große Sorgen um die Zukunft der Musik und insbesondere um die jungen Sänger. Die Gefahr, dass sie aufgeben, weil sie spüren, dass die Unterstützung nicht ausreicht, um ihren Traum zu leben, ist real. Dieser Sachverhalt würde bedeuten, dass es irgendwann keinen Nachwuchs mehr geben könnte, um die "alte" Generation abzulösen. Und irgendwann verschwindet still und leise die wunderschöne Welt der Musik und insbesondere die der Oper.
(C) Wilfried Hösl / Bayerische Staatsoper
Es kämpfen aber nicht nur die zahlreichen freischaffenden Künstler um das Überleben, sondern auch zahlreiche Theater, Opern- und Konzerthäuser und unzählige Festivals in aller Welt. Die Not ist groß nach den ganzen Absagen. Und auch, wenn der Betrieb langsam wieder anläuft in den Opern und Konzerthäusern und viele der Musikfestivals, wenn auch in modifizierter Version, nun doch im Sommer stattfinden, sind wir von der Normalität noch sehr weit entfernt. Die Kunst und Kultur ist weiterhin in einer großen Krise und das Geld fehlt an vielen Ecken und Enden. Auch einige der bekannten Opernhäuser sind von dieser Situation betroffen. Der Probenbetrieb kann nicht wie geplant stattfinden, der Saisonstart muss verschoben werden und auch die gesamte Planung ist ungewiss. Was kann überhaupt gespielt werden und wie ist die Umsetzung auf der Bühne möglich. und wie viele Zuschauer dürfen am Ende die unterschiedlichen Vorstellungen besuchen. Auch so renommierte und traditionsreiche Kompanien wie das Royal Opera House in London oder die Metropolitan Opera in New York sind davon betroffen. Kehren wir irgendwann zurück zur gewohnten Normalität oder wird sich auch unsere kulturelle Welt, wie wir sie kennen, für immer verändern?
Es haben sich im Laufe der letzten Wochen und Monate zahlreiche Spendenaktionen ergeben, zusätzlich wurden einige Hilfsfonds für die freischaffenden Künstler, Musiker und Sänger gegründet und über die Websites der verschiedenen Opern- und Konzerthäuser konnten zusätzlich Spenden abgegeben werden, um diese soweit zu unterstützen, dass sie über die Runden kommen. Viele der festangestellten
Mitarbeiter sind in Kurzarbeit gegegangen, sodass zumindestens die Arbeitsplätze gesichert wurden. Denn diese Krise betrifft natürlich nicht nur die freischaffenden Künstler, sondern auch die zahlreichen Angestellten in den zahlreichen weiteren Berufsparten: Bühnenarbeiter, Kulissenbauer, Kostümbildner und Maskenbildner, Tonkünstler sowie alle technischen Berufe uvm. Ohne diese Menschen wäre der Betrieb in einem Theater, Opern- und Konzerthaus schlicht und ergreifend nicht möglich! Fehlen sie, so wird sich am Abend der Vorhang nicht heben. Und was macht die Politik? Sie erhöht zwar die Fördergelder für die freischaffenden Künstler, aber man hat trotzdem das Gefühl, dass sie sich mehr um die Autobranche kümmert, Lufthansa mit meherern Milliarden Euro unterstützt oder es der Bundesliga ermöglicht, ihre Saison in Form von Geisterspielen zu beenden . Bleibt am Ende also die Frage, ob der Patient Kultur wieder zur alten Form und Stärke zurück geführt werden kann.
Reichen die Bemühungen also aus, um diese Krise zu überwinden oder gehen wir in eine ungewisse Zukunft?
(C) Wilfrie Hösl / Bayerische Staatsoper
Das klingt vermutlich jetzt sehr negativ oder pessimistisch...Vielleicht ist das so...Man könnte aber auch nachdenklich sagen. Ich wünsche mir nichts sehnlicher als die Normalität der Vergangenheit zurück, egal in welchem Bereich. Ohne Einschränkungen Freunde zu treffen, gemütlich essen gehen, shoppen ohne vorgebene Regeln und unbeschwerte Opern- und Konzertbesuche. Reisen egal wohin und ohne sich Gedanken zu machen und das Leben zu genießen in seiner ganzen Schönheit. Das ist es, was nicht nur ich mir von ganzem Herzen wünsche.
Einiges davon ist bereits wieder möglich, wenn auch nicht so, wir es von früher gewohnt sind. Anderes muss noch warten oder ist erst ganz am Anfang der Rückkehr in unser gewohntes Leben.
Bleibt also die Frage: wie lange dauert sie, die Rückkehr der Kunst, Kultur und Musik und mit welchem Ergebnis müssen wir am Ende rechnen und können wir am Ende gut damit leben? Was wird sich verändern und was kehrt zurück in unsere Welt? Wer kann das heute schon wissen!
Am Ende heißt es aber, die Zuversicht zu bewahren, sich in Geduld zu üben und die postiven Gedanken überwiegen zu lassen. Trotz aller Schwierigkeiten glaube ich ganz fest daran, dass am Ende alles gut wird, weil ich mir ein Leben ohne Kunst und Musik einfach nicht vorstellen kann.
(C) Wilfried Hösl / Bayerische Staatsoper
Die Musik reicht aus für ein Leben-
aber ein Leben reicht nicht aus für die Musik
(Sergei Rachmaninoff)