Kunst ist systemrelevant!

                                     14. Mai 2020

(C) Wilfried Hösl / Bayerische Staatsoper


Seit mehr als zwei Monaten befinden sich Kunst und Kultur nun schon im Lockdown! Opernhäuser und Theater sind geschlossen, die Saison 2019/20 wurde fast allerorts beendet, die Tickets storniert, Premieren wurden abgesagt oder verschoben und auch im Sommer gibt es keine Festspiele, Festivals oder andere Großveranstaltungen. Zahlreiche freischaffende Künstler sind ohne Vertrag und Anstellung und damit auch ohne Einkommen. Viele von ihnen sind mittlerweile in eine große finanzielle Not geraten, weil sie irgendwie durch das Raster fallen und die Hilfe vom Staat nicht greift, zu lange auf sich warten lässt oder einfach nicht ausreichend ist über eine so lange Zeit. Auch wenn mein Blog vorrangig die Welt der Oper thematisiert, ist es mir ein großes Bedürfnis, flächendeckend über dieses Problem zu schreiben. Abgesagte Vorstellungen, Konzerte und Festivals betreffen alle Sparten der Kunst und Musik

und nicht nur die der wunderbaren und kostbaren Kunstform der Oper. Deshalb möchte auch ich das Sprachrohr für alle freischaffenden Künstler sein: Sänger, Schauspieler, Musiker, Regisseure, Dirigenten und alle bildenden Künste. Ich spreche aber auch für  alle Menschen,  die hinter den Kulissen arbeiten und ohne die eine Vorstellung in der Oper, im Theater oder Konzerthaus nicht stattfinden könnte, genauso wie eine neue Filmproduktion beispielsweise. Sie haben möglicherweise eine feste Anstellung, sind aber durch die Not, in die Theater, Opern und Konzerthäuser geraten, dazu genötigt, in Kurzarbeit zu gehen oder im schlimmsten Fall von der Kündigung ihrer Stellen bedroht zu sein.


Nicht von der Krise betroffen oder zumindest nicht finanziell ist nur eine kleine Prozentzahl an Künstlern, die schon lange sehr erfolgreich im Geschäft sind und sich ein gutes finanzielles Polster einrichten konnten. Sie sind es jetzt auch, die sich für ihre weniger begünstigten Kollegen einsetzen und ihre Stimme erklingen lassen. Dieses ist auch dringend notwendig, da die Not zunehmend größer wird und man mehr und mehr das Gefühl gewinnt, dass Kunst und Kultur verzichtbar sind und gegebenfalls einfach aussortiert werden.

Und außerdem gibt es ja zahlreiche Streaming-Angebote im Internet. Mal live , mal als Konserve werden die Zuschauer mit Musik, Kunst und Kultur versorgt, in der Hoffnung, dass diese Basisernährung ausreicht, damit niemand kulturell verhungert. Es ist eine Notlösung, die für ein paar Wochen helfen kann ,die notwendigsten Bedürfnisse zu befriedigen und den Künstlern die Möglichkeit zu bieten, mit ihren Fans in Kontakt zu treten, sich und ihre Kunst in Erinnerung zu rufen und auch, um ein paar Euro zu verdienen. Die Theater, Opern- und Konzerthäuser haben so Gelegenheit,  die spielfreie Zeit zu überbrücken, auf sich aufmerksam zu machen und Hilfsprogramme ins Leben zu rufen für die freischaffenden Künstler und Spenden zu sammeln, damit das eigene Haus nicht irgendwann schließen  muss. Dieses betrifft auch eines der größten und bekanntesten Opernhäuser der Welt: die Metropolitan Opera in New York, die einzig und allein von den Einnahmen der verkauften Ticktes, Spenden und Sponsorengelder lebt. Die Verluste gehen in die Millionen!


Das Problem mit den wegbrechenden oder fehlenden Einnahmen betrifft aber nicht nur die Theater, Opern- und Konzerthäuser dieser Welt, sondern auch die zahlreichen Festivals aller Musiksparten. Auch hier sind die Verluste der Veranstalter durch abgesagte Konzerte und stornierte Eintrittskarten immens. Leider scheinen die  für Kunst und Kultur  zuständigen Politiker zu vergessen, dass es auch in dieser Branche um Existenzen geht und dass daran zahlreiche Arbeitsplätze hängen, die zu retten es in jeder erdenklichen Art und Weise lohnt. Kunst und Kultur sind unsere geistige Nahrung, die wir zum Leben brauchen, die unseren Geist wachhält und unsere Seele berührt. Es wird also Zeit, sich die Konzepte, die bereits von den Theatern, Opern und Konzerthäusern und den Veranstaltern entwickelt worden sind, näher zu betrachten und den Künstlern und Kulturschaffenden endlich die Aufmerksamkeit zu widmen, die sie verdient haben. Der Stream im Internet, die Ausstrahlung im Fernsehen kann und darf nur eine vorübergehende Maßnahme sein, um die Kunst zu den Menschen zu bringen. Bedauerlicherweise scheint das Problem mit der Aufmerksamkeit für die Kunst und Kultur ein weltweites zu sein.

Aber es gibt einen Hoffnungsschimmer, dass  zumindestens in einer eingeschränkten Weise Veranstaltungen möglich sein könnten. So hat die Festspielleitung von Grafenegg (Österreich) bekannt gegeben, dass ihr Festival am 14. August stattfinden soll, wenn auch nicht unter gewohnten Bedingungen und mit einem Austauschprogramm. Wie dieses aussehen soll, ist noch abzuwarten. Auch die Bayerische Staatsoper teilte mit den Worten von Generalintendant Nikolaus Bachler in einem Presseschreiben Folgendes mit:

"Wir freuen uns, dass unsere Montagskonzerte so großen Anklang beim Publikum finden. Darüber hinaus sind wir schon mit anderen Formaten startklar, die es bald erlauben sollen, dass unser Publikum wieder ins Haus kommt-wenn auch anfangs in in stark reduzierter Form."


Es ist also möglich, Kunst und Kultur wieder direkt zu den Menschen zu bringen. Kein noch so guter und hochkarätig besetzter Stream im Internet ersetzt das Live-Erlebnis vor Ort, weder für den Künstler noch für den Zuschauer. So viel steht fest. Die Menschen brauchen den direkten Kontakt, das unmittelbare Erleben und den Austausch von Gedanken, Empfindungen und Erfahrungen. Das Publikum braucht die Künstler und die Küntler brauchen ihr Publikum. Vor leeren Rängen zu spielen und zu singen, das bringt keine Befriedigung, ist öde und traurig. Der Münchner Opernsänger und Publikumsliebling Jonas Kaufmann musste dieses vor einigen Wochen selbst betrübt feststellen, als er am 27. April zusammen mit seinem langjährigen Pianisten, Freund und ehemaligem Lehrer Professor Helmut Deutsch

Schumanns Dichterliebe vor dem leeren Publikumsraum des Münchner Nationaltheaters interpretierte. Ihm kamen nach Beendigung des Vortrages folgende Worte über die Lippen, und das aus dem Herzen: "I hope to see you soon. Because music without an audience is not the same for me!"

Diese Aussage werden sicher die meisten seiner Künstkollegen zu Hundert Prozent unterschreiben. So setzt sich auch Jonas Kaufmann, der um die große Not seiner weniger priviligierten Kollegen weiß, dafür ein, Spenden zu sammeln, die zumindestens das fehlende Einkommen für eine Weile ersetzen. Unter der Überschrift Künstler helfen Künstlern gibt es bereits einen Beitrag auf meinem Blog zu lesen. Dort sind auch einige der Spendenkonten aufgelistet. Jeder kann auf diesem Wege die freischaffenden Künstler im Rahmen der eigenen finanziellen Möglichkeiten mit einer Spende unterstützen.

                                                           JEDER EURO ZÄHLT!


Wie weiter oben zu lesen ist, gibt es Mittel und Wege, um die Künstler und das Publikum wieder zusammenzubringen und die die Welt der Kunst, Musik und Kultur wieder zum Leben zu erwecken, wenn auch erst einmal in ungewohnter und reduzierter Form. So hat auch das Staatstheater Wiesbaden  eine Möglichkeit gefunden, seine Pforten nun schrittweise zu öffnen und  Kunst und Musik den Menschen wieder zugänglich zu machen. Der Spielbetrieb wird am 18. Mai wieder aufgenommen, der Verkauf für die geplanten Vorstellungen beginnt am 15. Mai um 10:00Uhr.

Es geht doch, könnte man jetzt denken. Mit Engagement, dem nötigen Einsatz und ein wenig Unterstützung aus der Politik sollte es doch möglich sein, auch die kulturelle Krise gemeinsam zu bewältigen.  Noch hat man allerdings den Eindruck ,dass die Probleme der zahlreichen freischaffenden Künstler und die Kunst und Kultur an sich nicht gerade im Fokus der Öffentlichkeit stehen. Es muss  noch viel passieren und auch wir als Publikum, Opern- und Musikfans sind in die Pflicht genommen. Die Stimme erheben, die Diskussion anregen, darüber schreiben, wenn es möglich ist und dieses Thema immer wieder in die Öffentlichkeit tragen, so gut und intensiv es uns möglich ist.

Gemeinsam eintreten für das,was unsere Gesellschaft und unser Denken und Handeln ausmacht.  

Unterstützen wir die Menschen, die unsere Kunst- und Kulturlandschaft so bunt, vielfältig und lebendig gestalten und rufen es hinaus in die Welt:

              KUNST IST SYSTEMRELEVANT!!!