Von Hannah Klug / Wunderbare Welt der Oper
02. Februar 2022
(C) Michael Pöhn / Wiener Staatsoper
Heute darf ich voller Stolz über die ehrenvollen Auszeichnungen berichten, die gestern an drei wunderbare und hoch geschätzte Künstler auf der Bühne der Wiener Staatsoper, direkt nach einer weiteren überragenden Vorstellung von Peter Grimes, verliehen worden sind. Als Erste wurde die Dirigentin des Abends geehrt: Simone Young, die bereits mehr als 200 Mal am Pult des Staatsopernorchesters stand und der 1993 als erster Dirigentin die Ehre zuteil wurde, bei ihrem Debüt die musikalische Leitung von "La Bohème" zu übernehmen. Heute gehört die gebürtige Australierin zu den weltweit gefragtesten Dirigenten und ist an allen großen Opern- und Konzerthäusern zu erleben. Als Zuschauer ist es eine unermessliche Freude und ein großes Privileg, die Ausnahmemusikerin bei ihrer Tätigkeit im Orchestergraben beobachten zu dürfen. Jederzeit ist sie bei ihren Musikern, gibt exakt jeden Einsatz an und ist mit einer in jeder Sekunde spürbaren Leidenschaft dabei. Ihrer Aufmerksamkeit entgeht absolut nichts. Sie ist mit jedem einzelnen Musiker und Sänger in Kontakt, führt sicher durch die Partitur, wie auch jetzt bei einem so anspruchsvollen Werk wie Benjamin Brittens "Peter Grimes". Sie ist stets darauf bedacht, die Sänger nicht mit dem Orchesterklang zu überdecken und arbeitet jedes noch so kleine Detail in der Musik mit einer großen Präzision heraus. All dies macht die darüber hinaus sehr bescheidene und bodenständige Künstlerin aus. Ich verneige mich tief vor dieser beeindruckenden Musikerin, die über viele Jahre das Amt der Generalmusikdirektorin in meiner Heimatstadt Hamburg innehatte. Brava, Simone Young und auf viele weitere wunderbare und unvergessliche Opernabende!
(C) Katharina Schiffl / Wiener Staatsoper
Direkt nach Simone Young wurde Sir Bryn Terfel geehrt und zum österreichischen Kammersänger ernannt. Durchgeführt wurde die Zeremonie von Staatsoperndirektor Bogdan Roščić, der eine einleitende Rede für die drei geehrten Künstler hielt. Im Anschluss übernahm die Kunst- und Kuturstaatssekretärin Andrea Mayer, sagte einige Worte zu den ausgezeichneten Künstlern, der Bedeutung der Oper, der Musik und der Kunst gerade heute, in Krisenzeiten wie diesen. Sie lobte die herausragende Vorstellung des Abends und betonte, dass die Oper auch unbequeme und kritische Themen ansprechen müsse, um zum Nachdenken über unsere heutige Gesellschaft anzuregen. Zurück zu Bryn Terfel, der einer der weltweit herausragendsten Opernsänger (Bassbaritone) ist. Eine Persönlichkeit auf der Bühne und im wahren Leben. Ein Mensch, der für die Musik lebt und für seine Familie. Der fünffache Familienvater hat einen entsprechenden Weg gefunden, seiner Leidenschaft für die Bühne nachzukommen und gleichzeitig sein gut geschütztes Privatleben zu genießen. Bryn Terfel beeindruckt mit seiner kraft- und ausdrucksvollen Stimme und einer enormen Bühnenpräsenz. Ein Sänger, der in der Lage ist, sich ganz auf seine Figur einzulassen, sie sich zu eigen macht. Ein Teamplayer und ganz sicher ein fantastischer Sängerkollege, auf den man sich jederzeit verlassen kann. Der gebürtige Waliser hatte am gestrigen Abend definitiv die unterhaltsamste Rede vorbereitet und bedankte sich gleich in drei Sprachen für die Ernennung zum österreichischen Kammersänger, auf Englisch, Walisisch und Deutsch. Der ausgesprochen sympathische Künstler verzauberte in wenigen Augenblicken das Wiener Publikum mit internationalem Anteil und hatte die Lacher auf seiner Seite. Danke, Bryn Terfel, für all die Kunst, die Sie mit uns teilen! Auf zahlreiche weitere Opernabende in Wien, München, London oder New York! Die Ernennung zum Österreichischen KS war mehr als überfällig!
(C) Katharina Schiffl / Wiener Staatsoper
Der dritte ausgezeichnete Künstler am 2. Februar 2022, ein äußerst markantes Datum, war der Protagonist der Titelpartie an diesem Abend, der deutsch-österreichische Weltstar Jonas Kaufmann. Ja, Ihr habt richtig gehört! Der gebürtige Münchner erhielt mittlerweile die Staatsbürgerschaft von Österreich, wie heute in der Kronenzeitung zu lesen war. Die Urkunde hat der 52-Jährige bereits, es fehlt nur noch der Pass. Ob der sympathische Künstler jedoch seine deutsche Staatsbürgerschaft und damit auch alle verbundenen Rechte und Pflichten abgegeben hat, ist nicht bekannt. Es ist eher zu vermuten, dass Kaufmann mit Zweitwohnsitz in Wien jetzt Besitzer zweier Pässe ist. Alles andere würden ihm seine deutschen Fans wohl auch sehr übelnehmen. Nun wieder zur Ehrung des Publikumslieblings der Österreicher und seiner großen Verdienste für die Musik. Jonas Kaufmann steht mittlerweile mehr als ein Vierteljahrhundert auf den Opernbühnen aller Welt, hat eine beeindruckende internationale Karriere hingelegt und gehört zu den gefragtesten Tenören unserer Zeit. An der Wiener Staatsoper ist er tatsächlich zum ersten Mal in einer einzigen Vorstellung als Tamino in Mozarts "Zauberflöte" aufgetreten. Seitdem hat er es auf gerade vierzig Vorstellungen, inklusive aller Liederabende, gebracht. Man könnte das Gefühl haben, es wären deutlich mehr Auftritte gewesen. Jonas Kaufmann zeichnet sich immer wieder durch seine große musikalische Intelligenz aus, das Gestaltungsvermögen seiner Stimme ist enorm und sie umfasst beachtliche drei Oktaven. Das schauspielerische Vermögen, mit dem der Weltstar sich immer wieder detailgenaue Rollenprofile erarbeitet, komplettiert diesen Ausnahmekünstler und macht die Ernennung zum österreichischen Kammersänger auch für ihn überfällig. Bayerischer Kammersänger ist der 52-Jährige bereits seit 2013. Das Namensschild an Kaufmanns Garderobe in der Wiener Staatsoper wurde übrigens bereits geändert und auf der Website wird er jetzt wie sein Kollege Sir Bryn Terfel, offiziell KS Jonas Kaufmann genannt. Herzlichen Glückwunsch, lieber Herr Kammersänger, und auf viele spannende Aufführungen und Produktionen im Haus am Ring und in aller Welt!
(C) Katharina Schiffl / Wiener Staatsoper
Einige abschließenden Worte zu einer ganz besonderen Vorstellung, die nicht nur aufgrund des ungewöhnlichen Datums in Erinnerung bleiben wird. Alle
geehrten künstler, der Staatsoperndirektor sowie die Kunst- und Kultursekretärin lobten mehrfach den unermüdlichen Einsatz des Wiener Publikums, das trotz aller Widrigkeiten dem Haus am Ring die
Treue halte, und betonten, dass ein Opernabend ohne anwesendes Publikum einfach nicht dasselbe sei. Und so applaudierten am Ende auch die anwesenden Sänger und Musiker ihrem Publikum und brachten
ihren von Herzen gemeinten Dank zum Ausdruck. Die mit Abstand längste Rede hielt (wen wundert es?) der redefreudige Jonas Kaufmann. Möglicherweise sollte er sich das nächste Mal, wann auch immer
das sein mag, wie seine Kollegen eine kleine Notiz machen, was er gerne sagen möchte und ihm auf dem Herzen liegt. Allerdings trug der Opernsänger auch mehrfach zur Erheiterung des Publikums bei
und hatte binnen kurzer Zeit die Opernfans äußerst charmant um den Finger gewickelt. So ging nach fast 3,5 Stunden ein beeindruckender Opernabend und eine ausgeprochen unterhaltsame, aber auch
feierliche, Verleihung in der Wiener Staatsoper zu Ende. Der amüsante Schlusssatz kam vom deutsch-österreichischen Publikumsliebling, der mit einem Augenzwinkern anmerkte, er müsse jetzt ganz
dringend aus seinen Gummistiefeln heraus, ansonsten schwappe es irgendwann oben heraus... Ein letztes Lachen im Saal und auf der Bühne, dann sank der Vorhang und hebt sich wieder am nächsten
Samstag zur vierten und vorletzten Vorstellung in dieser Wiederaufnahmeserie.
Die Rezension zum "Peter Grimes" gibt es dann nach dem Abschluss am 8. Februar hier zu lesen. Vorher stehen aber noch die Manon Lescaut mit Asmik Grigorian und Brian Jadge an, deren Wiederaufnahmepremiere vom 1. Februar ja leider verschoben werden musste, sowie Die Tote Stadt mit Klaus Florian Vogt in der Rolle des Paul. Es bleibt also spannend und hochkarrätig.
Also bleibt gesund und drückt auch ganz fest die Daumen für die nächsten PCR-Tests! Gesund sollten wir am Ende auf jeden Fall alle bleiben!
(C) Katharina Schiffl / Wiener Staatsoper
Die Musik ist ein moralisches Gesetz.
Sie schenkt unseren Herzen eine Seele
verleiht den Gedanken Flügel,
lässt die Fantasie erblühen...
(Platon)
(C) Originalquelle ORF2 / Seitenblicke vom 32.2022