Der wendende Punkt

Die Präsentation der neuen Spielzeit 2020/21

an der Bayerischen Staatsoper in München

                                                                  17. März 2020

(C) Wilfried Hösl / Bayerische Staatsoper


                                       Das Spielzeit-Motto 2020/21

Das diesjährige Spielzeit-Motto, Der wendende Punkt, stammt aus den Sonetten an Orpheus, 2. Teil Nr. 12 von Rainer Maria Rilke.

Wolle die Wandlung. O sei für die Flamme begeistert,
drin sich ein Ding dir entzieht, das mit Verwandlungen prunkt;
jener entwerfende Geist, welcher das Irdische meistert,
liebt in dem Schwung der Figur nichts wie den wendenden Punkt.

 

Was sich ins Bleiben verschließt, schon ist´s das Erstarrte;
Wähnt es sich sicher im Schutz des unscheinbaren Grau´s ?
Warte, ein Härtestes warnt aus der Ferne das Harte.
Wehe – : abwesender Hammer holt aus !

 

Wer sich als Quelle ergießt, den erkennt die Erkennung;
Und sie führt ihn entzückt durch das heiter Geschaffne,
das mit Anfang oft schließt und mit Ende beginnt.

 

Jeder glückliche Raum ist Kind oder Enkel von Trennung,
den sie staunend durchgehn. Und die verwandelte Daphne
will, seit sie lorbeern fühlt, daß du dich wandelst in Wind.

 

Die Sonette (Klanggedichte) an Orpheus, 2. Teil, Nr. 12)

 

Alles Leben ist stetige Wandlung.
Fortwährende Wandlung ist eine Eigenheit des Lebens, ständig sterben Zellen unseres Körpers ab, neue werden gebildet. Im Stoffwechsel wird alte Materie, altes Material, ausgetauscht gegen neues. Unsere Einstellungen und Überzeugungen ändern sich mit der Zeit, unser Denken, unsere Gefühle, unsere Körpergestalt. Solange wir leben, ist Wandlung unvermeidlich.

 

Als Mensch habe ich die Wahl
Will ich diese stetige Wandlung oder will ich sie nicht, sage ich JA zu ihr oder sage ich NEIN, das ist meine Entscheidung. Auch wenn wir sie nicht wollen, können wir sie in Wirklichkeit doch nicht verhindern, aber im Bewußtsein verschließen wir uns dann vor ihr. Die stetige Wandlung hört deswegen nicht auf, sie geht weiter und wird so lediglich in den unbewußten Teil des Geistes verdrängt. In der Folge haben wir Angst, weil wir die Gegenwart des Verdrängten nicht mehr kennen, aber noch spüren. Wenn wir die stetige Wandlung wollen, sagen wir JA zu ihr, zu diesem Wesensmerkmal allen Lebens: In der Folge können wir uns dann sogar für den Zauber ständiger Wandlung als Prunk des Lebens begeistern.

 

https://www.der-innere-weg.de/der-innere-weg/schatztruhe/rilke/wolle-die-wandlung/

 

Das Spielzeit-Motto für die neue Saison 2020/21 an der Bayerischen Staatsoper wurde laut Generalintendant vor ca 6 Monaten ausgewählt und hat in der Situation, in der wie uns gerade befinden, plötzlich ungemein an Aktualität gewonnen. Alles ist in Bewegung, alles wandelt und verändert sich. Wo kommen wir her und wo gehen wir hin? Eine Bekennung zum Wandel und zum Wandeln.

Was mit Anfang beginnt und mit Ende beschließt. Ich hoffe, ich habe die Worte von Herrn Bachler soweit zumindest sinngemäß richtig zusammengefasst und wiedergegeben.

Dieser war bei der Präsentation seiner letzten Spielzeit als Generalintendant an der Bayerischen Staatsoper sichtlich bewegt, als er vor die Kamera trat. Aufgrund der derzeitigen Situation, die durch das Coronavirus verursacht ist und dem damit extrem eingeschränkten öffentlichen und auch kulturellen Leben, fand die Spielzeitpräsentation dieses Jahr nur als Livestream statt. Dieser Vormittag war aber gleichzeitig auch ein Tag der Hoffnung und des Lichtblicks, dass wir die dunkle Zeit zusammen gut überstehen. Musik gibt uns Kraft und Energie und so werden wir gemeinsam auch diese schwere Krise meistern und gestärkt daraus hervorgehen.

 

Kommen wir nun zur Spielzeitpräsentation, die eine wirklich spannende neue Saison verspricht. Im Mittelpunkt stehen Werke aus Oper und Ballett, die in München am Nationaltheater ihre Uraufführung hatten oder in der neuen Spielzeit dazukommen. Es gibt insgesamt

2 Uraufführungen und 6 Premieren in Sachen Oper; bezüglich Ballett sind 2 Premieren und eine Uraufführung geplant. Dazu gesellen sich 45 Opern im Repertoire, 6 Akademiekonzerte, 9 Ballette im Repertoire, 2 Festspiel-Sonderkonzerte, die  Übertragungen auf Staatsoper.TV & Video-on Demand, die Veranstaltungen der Dramaturgie-Reihe Die unmögliche Enzyklopädie und die Projekte von Campus und U30.

 

Nikolaus Bachler ist es auch für seine letzte Saison als Generalintendant an der Bayerischen Staatsoper gelungen, eine Vielzahl an

herrausragenden Sängern, Dirigenten und Regisseuren für die Neuproduktionen, aber auch die zahlreichen Repertoire-Vorstellungen, zu

gewinnen. Zwei Premieren, auf denen ein besonderer Fokus liegt, sind mit Sicherheit der neue Rosenkavalier, der unter Leitung des zukünftigen Generalmusikdirektors Vladimir Jurowski ab dem 18. März 2021 zur Aufführung kommen wird. Die Insznenierung wird

übernommen von Barrie Kosky. In den Hauptrollen zu sehen sein werden Marlis Petersen, Christoff Fischesser, Samantha Hankey

und Katharina Konradi. Als zweite Premiere und erste Festspielpremiere am 29.Juni 2021 steht sicher Richard Wagners Werk

Tristan und Isolde im Mittelpunkt des Interesses. Das liegt zum einen an der musikalischen Leitung durch den noch amtierenden

Chef des Bayerischen Staatsorchesters Kirill Petrenko, der zu den Opernfestspielen 2021 seine letzte Neuproduktion am Münchner

Nationaltheater übernimmt, aber natürlich auch an der wunderbaren Besetzung der beiden Titelpartien. Mit Jonas Kaufmann und

Anja Harteros interpretieren Zwei der Besten ihres Fachs diese unglaublich schwierigen Rollen und nehmen auch für Kirill Petrenko diese große Herausforderung an, die sie am Ende ohne Probleme meistern werden. Die Neuinszenierung von Tristan und Isolde

beendet dann nicht nur am 31.Juli 2021 diese Spielzeit, sie beschließt auch die letzte gemeinsame Arbeit mit Kirill Petrenko als GMD

und die Amtszeit von Generalintendant Nikolaus Bachler. Es sei noch drauf hingewisen das es dazu auch eine wie immer kostenlose

Oper für Alle  auf dem Max-Joseph-Platz geben wird.

Alle Informationen zur neuen Spielzeit an der Bayerischen Staatsoper und alles, was ansonsten noch interessant und wichtig ist,

gibt es direkt auf der offiziellen Website des Münchner Opernhauses zu lesen. Das Programm bietet wirklich für jeden Opern- und

Ballettliebhaber etwas. Auch für die kommende Saison wird ersichtlich, warum die Bayerische Staatsoper zu den den Top Five in der

Welt zählt. Hier trifft sich alles, was Rang und Namen hat, Sänger, Dirigenten, Regisseure. Die Auslastung ist extrem hoch, die Anzahl an Neuproduktionen, Uraufführungen und Repertoirevorstellungen bemerkenstwert und unglaublich vielseitig. Die Streams im Internet auf StaatsopernTV live und vor allem kostenfrei sind einzigartig und ermöglichen Opernfans in aller Welt, die großartigen Künstler und spannenden Neuproduktionen mitzuerleben. Diese Tatsachen sind natürlich auch der großen staatlichen Förderung zu verdanken so wie den zahlreichen und treuen Sponsoren , den Freunden des Nationaltheaters und den Freunden der Opernfestspiele, die alles dafür tun, um diese wunderbare Kunstform lebendig zu halten und bezahlbar zu machen für alle Menschen.

(C) Wilfried Hösl / Bayerische Staatsoper


Ich hoffe, dass ich mit meinem kleinen Beitrag noch ein wenig mehr Lust machen kann auf diese spannende neue Spielzeit und die Neugier bei Euch noch weiter geweckt habe. Auch in der Saison 2020/21 werden wir  neue Werke zusammen entdecken und deren

Aufführungen und Uraufführungen gemeinsam auf der Opernbühne erleben. Auf das, was kommt, können wir uns jetzt schon freuen.

Und die neue Spielzeit wird eine ganz besondere Bedeutung haben. Es soll der Neubeginn sein nach einer schwierigen Zeit.

         Und wenn der Sorgen Last die Seele drückt

              erhebt Musik sie wieder und entzückt.

                                             (Alexander Pope)