Bitte nicht noch ein Internetstream!

                                      15. Juni 2020

(C) Wilfried Hösl / Bayerische Staatsoper

Internetstreams sind eine gute Gelegenheit, um einem breiten Publikum die Möglichkeit zu geben, eine begehrte Opernproduktion oder ein Konzert mitverfolgen zu können. Und das live, in aller Welt und auf

eine unkomplizierte Art. Nicht jeder hat die Gelegenheit zu einer bestimmten Veranstaltung vor Ort

sein zu können, entweder, weil alle Karten ausverkauft sind, oder weil die Entfernung einfach zu weit und der Aufwand einer Anreise zu groß ist. Gerade in den letzten Wochen und Monaten war das Streamen im Internet die einzige Möglichkeit für die Opern- und Konzerthäuser ebenso wie für die Künstler, den Kontakt zu halten zu den Musikliebhabern und ihren Fans. Und diese Version zu musizieren wurde von vielen, vor allem den bekannten Sängern und Musikern, zahlreich und begeistert genutzt. Es gab unzählige Opernvorstellungen zu sehen, in der Regel als Aufzeichnung, aber auch viele unterschiedliche Konzerte sowie Liederabende aus aller Welt. Das geschah allerdings vor einem leeren Auditorium und ohne einen direkten Kontakt zum Publikum. Nun läuft ganz langsam seit wenigen Wochen der Spielbetrieb in den Häusern wieder an und es gab bereits die ersten Veranstaltungen mit Zuschauern im Saal. Die Anzahl der Musikliebhaber war und ist aber auf eine sehr überschaubare Menge begrenzt.

Und da liegt auch das Problem. Die Theater, Opern- und Konzerthäuser sind wieder für den Zuschauer zugänglich, aber es gibt nur wenige Karten, die in den Verkauf gehen. Wer eines der begehrten Tickets ergattert, darf sich sehr glücklich schätzen, für alle anderen wird es vermutlich eine große Enttäuschung. Die Sehnsucht endlich wieder einem Konzert, einem Liederabend oder einer, wenn auch zunächst konzertanten Opernvorstellung, direkt vor Ort zu lauschen, ist riesengroß und kann nur bedingt ein Ersatz für das Liveerlebnis sein.

(C) Bayerische Staatsoper


Ganz genau so geht es mir gerade in meiner derzeitigen Heimatstadt München. Ab heute Abend gibt es die wöchentlichen Montagskonzerte vor einem sehr überschaubaren Publikum im Saal. Selbstverständlich waren die Karten innerhalb von 15 Minuten vergeben. Eines der begehrten Tickets zu ergattern ist quasi wie ein Sechser im Lotto! Und das ist ehrlich gesagt ziemlich deprimierend. Man hätte theoretisch die Gelegenheit, nach so langer Zeit wieder die Chance Musik, Tanz und Gesang direkt zu spüren und zu erleben und trotzdem fühlt man sich am Ende ausgeschlossen, ist furchtbar enttäuscht und muss am Schluss doch wieder auf den Internetstream zurückgreifen, um an einer bestimmten Wunsch-Veranstaltung teilzunehmen und diese nicht zu verpassen. Ob das auf Dauer die Lösung ist, wage ich

aber zu bezweifeln. Man kann also nur hoffen, dass die Zahl der Zuschauer möglichst schnell angehoben wird, natürlich unter Wahrung aller Sicherheitsaspekte der aktuellen Situation. Auch für die Künstler wäre es sicherlich eine größere Freude,in einem Haus zu singen und vor einem Publikum, das sie nicht mühsam suchen oder in den Weiten des Auditoriums erahnen müssen. Im Münchner Nationaltheater beispielsweise, welches eine Kapazität von 2201 Plätzen hat,  dürfen heute beim 11. Montagskonzert maximal 50 Menschen  den  Abend genießen.

Der große Rest, auch in München, muss wieder einmal vor dem Computerbildschirm Platz nehmen. Das ist selbstverständlich besser als nichts und soll auch keinesfalls undankbar klingen, aber es ist sicher nicht nur mein größter Wunsch, Musik endlich wieder ganz real  in einem Opern- oder Konzerthaus zu erleben.

Hoffen wir also, dass bis zum Herbst auch in der Welt der Musik halbwegs wieder die Normalität zurück

gekehrt ist und wir die neue Spielzeit festlich und voller Freude gemeinsam beginnen können.

(C) Wilfried Hösl / Bayerische Staatsoper


        Und wenn der Sorgen Last die Seele drückt,

              erhebt Musik sie wieder und entzückt.

                                              (Alexander Pope)