10. Dezember 2018
(C) Wilfried Hösl / Bayerische Staatsoper
Ich berichte heute über die 5. Vorstellung dieser Neuproduktion unter Regie von Amelie Niermeyer, die am 23.November am Münchner Nationaltheater Premiere feierte.
Nach der Premiere gab es bedauerlicherweise nur wenige positive Kritiken und immer wieder wurde die Regieführung negativ bewertet und mit ihr leider auch Jonas Kaufmann, der die Titelpartie übernommen hat. Vollkommen zu Unrecht, wie man feststellen muss! Gut 2100 Zuschauer im Nationaltheater konnten sich bisher bei jeder einzelnen Vorstellung von der enormen Darstellungskraft und den großen stimmlichen Qualitäten des Münchner Opernsängers überzeugen. Anja Harteros in der Rolle der Dedemona, Gerald Finley als Bösewicht Jago und vor allem Kirill Petrenko, der die musikalische Leitung inne hatte, wurden bereits nach der Premiere mit viel Lob und Anerkennung überschüttet. Vollkommen zu recht und hoch verdient. Wer leider kaum zur Erwähnung kam, war der wunderbare Chor der Bayerische Staatsoper, Er gehört zu den besten seiner Art und ist genauso wie das Bayerische Staatsorchester immer wieder mit Preisen ausgezeichnet worden. Die Sängerinnen und Sänger bereichern jede Aufführung und begeistern durch Stimmgewalt und eine große Bühnenpräsenz.
(C) Link Youtube / Bayerische Staatsoper
Da nach dem Livestream und dem Einblick durch den Trailer, das Videomagazin und die zahlreichen Fotos das Bühnenbild gut bekannt sein sollte, werde ich auf diesen Punkt nur kurz eingehen. So viel sei gesagt: der zweigeteilte Raum in Hell und Dunkel, Licht und Schatten, die Traumwelt Desdemonas und die harte und brutale Realität sind schlüssig und nachvollziehbar dargestellt. Der so gestaltete Bühnenraum in weiß und schwarz unterstützt die Erzählweise von Regissseurin Amelie Niermeyer, die ihren Fokus auf die drei Hauptdarsteller gelegt hat, insbesondere auf die von Beginn an zum Scheitern verurteilte Liebe von Otello und Desdemona. Es ist wie angekündigt als ein intensives Kammerspiel gestaltet, das die menschlichen Gefühle, die Stärken und Schwächen der Protagonisten und die daraus resultierenden Handlungsweisen in den Mittelpunkt stellt. Die Frage, die sich immer wieder stellt ist, warum handeln und reagieren sie so wie im Libretto beschrieben? Wer oder was zwingt die Menschen in diesem Stück dazu, etwas Bestimmtes zu tun oder zu sagen? Gibt es am Ende tatsächlich nur den einen Weg der letztlich alle ins Verderben führt?
(C) Link Youtube / Bayerische Staatsoper
Bevor ich darauf näher eingehe, seien noch ein paar Worte zu Kirill Petrenko gesagt und zu den exzellent besetzten Nebenrollen. In der Rolle der Emilia war Rachel Wilson zu hören und zu sehen, als Rodrigo Galeano Salas, die Partie des Cassio wurde von Evan LeRoy Johnson übernommen, Montano von Milan Siljanov und der Herold von Markus Suhikonen. Allesamt sind sie begabte junger Sänger, die entweder im Jungen Opernstudio singen oder bereits etabliert sind im Ensemble der Bayerischen Staatsoper. In Sachen Nachwuchs gibt es in München also höchstens Luxusprobleme derart, alle die jungen Sänger in den verschiedenen Produktionen unterzubringen.
(C) Wilfried Hösl / Bayerische Staatsoper
Die musikalische Leitung hatte, wie schon erwähnt, Kirill Petrenko, der aus beruflichen Gründen am 6. Dezember für eine Vorstellung den Dirigentenstab an Asher Fish übergibt. Kirill Petrenko, der als sehr sängerfreundlich gilt und ausgesprochen akribisch ist in der Vorbereitung auf ein neues Werk, bewies auch jetzt wieder,wie viel noch Neues zu entdecken ist in einem der anspruchsvollsten Werke der Opernliteratur. Der russische Dirigent, der es vermag, auch die kompliziertesten musikalischen und kompositorischen Vorgänge dem interessierten Laien verständlich zu vermitteln, dirigierte nun zum ersten Mal in seiner Laufbahn Verdis Musikdrama Otello und konnte schon zum Auftakt und zur mitreißenden Eröffnung „Una vela“ überzeugen. Kirill Petrenko leitet und führt Orchester, Solisten und Chor durch alle Untiefen und Gefahren der Partitur und bringt am Ende alle sicher zurück an Land. Als Zuschauer wird man mitgenommen auf eine emotionale Reise, manchmal auch durch die Tiefe der eigenen Seele. Er drückt auch diesem Werk sanft seinen Stempel auf und zurück bleibt am Ende jedes Mal ein Gefühl von Glück und Dankbarkeit. Bravo Maestro!
(C) Link Youtube / Bayerische Staatsoper
Kehren wir nun zurück zu den drei Hauptprotagonisten von Verdis Drama und ihren hochkarätigen Sängerdarstellern. Jonas Kaufmann in der Titelpartie des Kriegsherren Otello, Anja Harteros als seine Gemahlin Desdemona und Gerald Finley als Otellos Dämon, der ihn für immer vernichten und zerstören will.
In Amelie Niermeyers Regiekonzept sind die Figuren nun ein wenig anders zu erleben als man bisher gewohnt war:
Otello ist in München ein Kriegsheimkehrer, der von den schlimmen Erlebnissen auf dem Schlachtfeld geprägt und traumatisiert ist. Natürlich gibt es kein Blackfacing für den Darsteller des Otello; das ist weder notwendig noch zur heutigen Zeit politisch korrekt. Stattdessen ist Jonas Kaufmann in einem schlichten Soldatenoutfit zu erleben: eine grau-grüne Hose und eine kurze Jacke, beides erinnert an die Kleidung eines Gi´s im zweiten Weltkrieg, dazu schwarze Schnürstiefel. Unter der Jacke ist ein einfaches weißes Baumwollhemd zu sehen und Hosenträger. Sein Markenzeichen, die dunklen Locken, sind unter einer Perücke mit einem leicht biederen, glatten Kurzhaarschnitt in aschbraun verschwunden. Der Bart ist kurz getrimmt und hat seine natürlich grau-weiße Färbung erhalten. Otello ist deutlich älter als seine Ehefrau und so wirkt der Münchner Opernsänger im Gegensatz zu Anja Harteros und auch dem Rest seiner Kollegen optisch sehr zurückgenommen. Er scheint fast wie aus einer anderen Zeit…So gibt es auch ohne schwarze Schminke im Gesicht den eindeutigen Hinweis, dass Otello ein Außenseiter der Gesellschaft ist, in der Desdemona große Verehrung und Anerkennung findet. Anerkennung, die der Feldherr nur bezogen auf seine Siege auf dem Schlachtfeld gewonnen hat.
(C) Wilfried Hösl / Bayerische Staatsoper
Im Gegenteil zu ihrem Ehemann auf der Bühne erlebt man die schöne Halbgriechin in Amelie Niermeyers Regie als starke Frau, selbstbewusst, abenteuerlustig und davon überzeugt, mit ihrer starken Liebe alle Hindernisse zu überwinden und das Gute im Menschen stärken. So ist Anja Harteros in dieser Produktion am Münchner Nationaltheater in langen Gewändern zu erleben,diese elegant und aus edlen Stoffen gefertigt oder im dritten Akt in einem schwarzen Hosenanzug unter dem recht aufreizend ein roter BH hervorblitzt. Im Gegenteil zu ihren Kollegen ist sie die einzige, die ihre Bühnenoutfits immer wieder wechseln darf. Eine Konstante gibt es aber mit Ausnahme des gesamten dritten Aktes,nämlich ein cremefarbenes langes Kleid. Sie trägt es in der ersten Liebesnacht von Otello und Desdemona Ende des ersten Aktes und bei ihrem Tod im vierten Akt. Man könnte sagen: auch dieses Kleid hat einen gewissen symbolischen Charakter.
Ein schlichter goldener Ring als sichtbarer Beweis ihrer Ehe ist an der linken Hand von Jonas Kaufmann und Anja Harteros zu sehen und verleiht der Darstellung der Sänger sowie der Art dieser Inszenierung eine zusätzliche Tiefe.
(C) Wilfried Hösl / Bayerische Staatsoper
Gerald Finley als Jago ist mit seiner Kleidung am ehesten in der heutigen Zeit einzuordnen. In T-Shirt, einer lässig geschnittenen Hose und Sneakers fällt er wenig auf und kann sich so gut in der Menge verstecken. Die Figur des Bösewichtes in Verdis Drama ist hier in München viel subtiler dargestellt vom britischen Bariton. Jago ist in dieser Neuinszenierung mehr Verführer, ein Mensch, der es genießt, seine Macht unauffällig auszuüben, der mehr und mehr Gefallen an der Zerstörung findet und immer mehr erkennt, wozu er in der Lage ist. Sein Ziel ist es, Otello zu vernichten, genau wie Cassio, die er beide aus tiefster Seele hasst. Dass auf diesem Weg Kollateralschäden entstehen, nimmt er als unvermeidbar hin oder viel mehr ist es ihm vollkommen egal.
(C) Wilfried Hösl / Bayerische Staatsoper
Zusätzlich zur 3. Vorstellung lief am 2. Dezember auch noch der kostenlose Livestream der Bayerischen Staatsoper. Er setzte ganz besonders die große Qualität und das beeindruckende schauspielerische Können der drei Hauptdarsteller in den Mittelpunkt. Wenn man solch wunderbare Sängerdarsteller auf der Bühne hat, sind die Close up´s von besonderer Intensität geprägt. Hervorzuheben sind hier der 49jährige Münchner Opernsänger und sein britischer Kollege. Diese zwei Künstler in den Nahaufnahmen zu erleben, ist ein ganz besonderes Erlebnis, sie fesseln ihre Zuschauer und man wird fast in diese dunkle Welt hineingezogen, kann sich dem kaum mehr entziehen.
An der gesanglichen Leistung gab es ohnehin zu keinem Zeitpunkt etwas auszusetzen. Jonas Kaufmann,
Anja Harteros und Gerald Finley bewiesen wieder einmal, warum sie zu den Besten ihres Fachs gehören und überall in Europa und der Welt gefeiert werden, wenn sie auf der Bühne stehen.
(C) Link Yuotube/ Bayerische Staatsoper
Gerald Finley, der in den letzten Jahren schon einige Auftritte an der Bayerischen Staatsoper hatte, war sicher eine der Überraschungen dieser Otello Neuproduktion und gewann die Herzen des Münchner Opernpublikums im Sturm. Sein Jago ist ein Verführer, ein geschickter Stratege, der zuerst in kleinen Versuchen austestet, was er in der Lage ist auszurichten oder viel mehr anzurichten. Nach und nach findet er Gefallen an der Macht des Bösen und baut sein Netz aus Intrigen immer weiter aus. Sein Äußeres ist lässig-unauffällig, er gibt sich als vertrauter Freund und Berater in schwierigen Lebenslagen. Er verspritzt leise und sanft sein Gift und zieht somit die Menschen um sich herum nach und nach ins Verderben. Geschmeidig wie eine Raubkatze, die ihre Beute ins Visier nimmt, schleicht er um seine Opfer herum. Gerald Finley dabei zu beobachten ist eine große Freude. Er hat diesen Charakter, die Figur des Jago verinnerlicht, wird immer stärker in seinem Ausdruck und der Interpretation. Sein fast lyrischer Bariton, der trotzdem kraftvoll und ausdrucksstark ist, unterstreicht die Darstellung und verstärkt das Gefühl, eine Person vor sich zu haben, deren einziger Wunsch es ist, das Gute in der Welt zu zerstören. Zu den gesanglichen Höhepunkten des in London lebenden kanadischen Bariton zählen ganz sicher das Credo zu Beginn des zweiten Aktes und das Racheduett von Otello und Jago, zusammen mit Jonas Kaufmann am Ende des zweiten Aktes.
(C) Wilfried Hösl / Bayerische Staatsoper
Anja Harteros auf der Bühne zu erleben ist ohne Ausnahme jedes Mal ein außergewöhnlicher musikalischer Genuss. Die Sopranistin mit griechischen Wurzeln offenbart einen Zauber in ihrer Stimme, der die Seele berührt. Sie hat eine ganz besondere Gabe, die Menschen für sich zu gewinnen und verzaubert einfach nur, indem sie die Bühne betritt. So ist es auch in der Neuproduktion von Verdis Otello an der Bayerischen Staatsoper. Schon der erste Auftritt während des Eingangschores Una vela offenbart ihre starke Bühnenpräsenz, ohne dass sie nur einen Ton zu singen hat. Ihre Desdemona ist eine starke und mutige Frau, ein Mensch, der sich einmischt, kämpft und einsetzt für andere. Diese Frau ist davon überzeugt, mit der Kraft ihrer Liebe alle Hindernisse überwinden zu können und übersieht dabei die Gefahr, die von ihrem Ehemann ausgeht, da dieser schon längst unter dem Einfluss von Jago steht. Anja Harteros gewinnt mit dem Alter immer mehr Kraft auch in der szenischen Darstellung, ganz besonders wenn sie mit ihrem Münchner Kollegen zusammen auf der Bühne steht. Die Beiden kreieren jedes Mal eine dichte und gerade hier im Otello manchmal fast beklemmende Atmosphäre. Die zwei Opernsänger, die man, gerade in München, schon in zahlreichen Neuproduktionen erleben konnte, sind in der Lage, sich zu gesanglichen und schauspielerischen Höchstleistungen anzutreiben. Wer die zwei Künstler beobachtet, spürt die Verbundenheit und das große Vertrauen, das sie einander entgegenbringen und das gerade in einem Werk mit einer so emotionalen Dichte von so besonderer Bedeutung ist. Abgesehen von jeder einzelnen Szene mit Jonas Kaufmann zusammen sind die gesanglichen Höhepunkte von Anja Harteros ganz sicher das A terra, si am Ende des dritten Aktes und ihr Salce Salce sowie das anschließende Ave-Maria zu Beginn des vierten Aktes. Etwas Schöneres hören zu wollen ist nur schwer möglich.
(C) Wilfried Hösl / Bayerische Staatsoper
Nun zum Otello Darsteller in München, Jonas Kaufmann: Leider hatte es dieser wunderbare Sänger und begnadete Darsteller gerade nach der Premiere nicht ganz einfach. Die Kritiken für den 49jährigen Münchner Opernsänger waren insgesamt durchwachsen, was vermutlich auch ein wenig dem Regiekonzept von Regisseurin Amelie Niermeyer geschuldet war. Otello ist bekanntermaßen in dieser Inszenierung von Beginn an ein schwer traumatisierter Kriegsheimkehrer. Ein erfolgreicher Feldherr ja, aber von den Kriegserlebnissen gezeichnet und geprägt. So herrscht von Beginn an eine triste und depressive Stimmung, das Heldische fehlt weitgehend. Otello ist von Anfang an als gebrochener Mensch zu erleben. Auch bei Jonas Kaufmann habe ich ausführlich die äußere Erscheinung angesprochen, die das Charakterbild des traumatisierten Kriegsheimkehres noch optisch unterstreicht und ihn zudem als Außenseiter der Gesellschaft kennzeichnet. Mit Beginn der Vorstellung am 2. Dezember und dem parallel ausgestrahlten Livestream im Internet änderte sich dann merklich die Art der Interpretation, insbesondere die von Jonas Kaufmann. Nun durfte der erste Auftritt mit dem Esultate- Jubelt für ein paar Takte stark und siegreich klingen und noch mehr der zweite Auftritt mit dem Abasso le spade- Nieder mit den Säbeln. In seiner Funktion als Kriegsherr ist Otello anerkannt, selbstbewusst und streng. Im Liebesduett mit Anja Harteros zeigt uns der Münchner Opernsänger die weiche, zarte und überaus verletzliche Seite seiner Figur. Eine unglaubliche Sehnsucht nach Frieden, Ruhe und Geborgenheit bewegen den Feldherren und sind die spätere Ursache für alles, was dann folgt. Zärtlich, ja fast schüchtern wirken die Annäherungen und Berührungen gegenüber Desdemona/Anja Harteros, die in ihrer Rolle dagegen selbstbewusst wirkt und damit kontrastreich die Interpretation ihres Bühnenpartners unterstreicht. Mit Beginn des zweiten Aktes ändert sich die Stimmung auf der Bühne und vor allem die Darstellung von Jonas Kaufmann. Die ersten Anzeichen von Zweifel sind in seinem Gesicht abzulesen, die Mimik und Gestik wechseln zwischen Misstrauen und Ungläubigkeit, erste kleine Ausbrüche unterstreichen die Tatsache, dass Jago den Keim des Bösen in Otello gesät hat. Es sind die kleinen Details, die eine besonders große Authentizität entstehen lassen. Kurz vor der Traumerzählung versucht sich Otello verzweifelt den Ehering vom Finger zu ziehen, erst mit der Hand und dann mit den Zähnen, ohne Erfolg. Dieses ist nur ein kleines Beispiel für die detaillierte Ausarbeitung seiner Rolle. In einer anderen Situation kickt er wütend einen der Blumensträuße, die am Boden liegen ,mit dem Fuß weg, trommelt nervös mit den Fingern auf der Sessellehne oder kaut vermeintlich an seinen Nägeln. Langsam lässt der Münchner Opernsänger den Wahn entstehen, der Otello am Ende dazu bringt, auf furchtbare Weise seine Ehefrau zu töten. Er lässt die Zuschauer teilhaben am stetigen Absturz und an der immer stärker werdenden Eifersucht, die in seinem Alter Ego tobt. Die Ausbrüche werden mit dem dritten Akt immer heftiger. Die Zuschauer erleben den 49jährigen Opernsänger zunehmend brutaler und aggressiver in seiner Darstellung. Otello demütigt und quält Desdemona. In vielen Momenten wirkt die Interpretation erschreckend echt und manch einer wird zusammengezuckt sein, wenn Jonas Kaufmann die Hand erhebt, tobt und immer wieder bedrohlich seine Stimme erklingen lässt. Dazwischen gibt es aber auch die verzweifelten Momente, in denen der mittlerweile psychisch sehr labile Feldherr in sich zusammensinkt, verloren wirkt, sich verschließt und insbesondere seine Frau nicht mehr an sich heranlässt. Der dritte Akt ist eine Achterbahn der Gefühle, die Otello und Desdemona hin- und her- wirbeln wie in einem Sturm. Eine gemeinsame Zukunft ist längst nicht mehr möglich. Ein besonderer musikalischer Höhepunkt ist der von Otellos Monolog, den Jonas Kaufmann mit einem Ausdruck des stärksten Schmerzes in seiner Stimme und einer Art monoton wirkenden Sprechgesang, der eine unglaubliche Tristesse, eine innere Leere und Hoffnungslosigkeit vermittelt, sang. Er schleppt sich gebeugt über die Bühne, als trüge er eine kaum zu ertragende Last auf den Schultern. Erst am Ende des Monologes kehrt das Leben und die Kraft für einen Augenblick zurück. Kurz danach ist das Gefühl von Schmerz und Verzweiflung wieder da. Hilflos muss Otello mit ansehen, wie Jago mit Cassio über die vermeintliche Liaison mit seiner Frau spricht. Er irrt kreuz und quer durch den Raum, um nur ein Wort zu verstehen. In Anwesenheit der venezianischen Gesandtschaft folgen weitere Demütigungen und Beleidigungen von Desdemona und wieder ist die Darstellung von Jonas Kaufmann erschreckend authentisch. Das Sextett mit Chor zum Ende zeigt den einst so geachteten Kriegsmann, wie er in seinem Wahn versinkt. Während der Raum sich mittels der Wandprojektionen zu drehen scheint, jagt Otello wie von Sinnen alle davon und verflucht Desdemona, die einen letzten Versuch wagt, ihn zu retten. Otello sinkt weinend vom Schmerz überwältigt zu Boden, den Arm vor das Gesicht geschlagen. Über ihm steht der Mensch, der ihn am Ende zerstört, Jago. Der nachfolgend vierte Akt war sicher für viele Fans des sympathischen Opernsängers am schwersten auszuhalten. Verstörend erlebte man Jonas Kaufmann, der sich nach und nach in einen Rausch gespielt hatte, wie er als Otello vom unbändigen Wunsch der Rache erfüllt und von Eifersucht getrieben das Schlafzimmer betritt. Zuerst noch ganz ruhig, ohne eine Regung im Gesicht. Noch deutet nichts auf die bevorstehende Tat hin. Brutal dann die angedeutete Vergewaltigung, die heftigen körperlichen und verbalen Angriffe und der eiskalte Blick, der sagt: ich fühle mich im Recht, dich zu töten. Im Augenblick des Mordes, wenn Otello wie von Sinnen schreit „mori“- „stirb“, ihr jede Gnade verweigert, wenn er die Hände um Desdemonas Hals legt und immer wieder zudrückt, scheint die Welt kurze Zeit still zu stehen. Jonas Kaufmann und seine langjährige Bühnenpartnerin Anja Harteros in all diesen von Hass geprägten Situationen zu erleben ist nicht ganz leicht zu ertragen. Der Schluss dieses Abends endet mit tiefer Trauer und Schmerz. Als Otello bewusst wird, dass er seine unschuldige Frau ermordet hat, bricht sich die Verzweiflung Bahn. Ergriffen lauscht man Jonas Kaufmann, wenn er mit gebrochener Stimme um Desdemona weint, das Gesicht in die Kissen gedrückt. Otello stirbt am Ende einsam und isoliert von der ganzen Welt vor dem leeren Ehebett. Die letzten Momente in dieser Inszenierung sind ganz besonders grausam und der Münchner Opernsänger kann ein letztes Mal zeigen, warum er zu den besten Sängerdarstellern der Welt zählt. Auf allen vieren schleppt er sich zum Bett auf der ansonsten leeren schwarzen Bühne. Er bittet um einen letzten Kuss, der ihm auf tragische Weise verwehrt bleibt. Dann sinkt der Kopf sacht auf das Bett nieder, die Stimme verebbt, wird leiser und leiser, der Blick erstirbt und langsam schließen sich die Augen. Otello fu….
(C) Wilfried Hösl / Bayerische Staatsoper
Ein paar Sekunden der Ruhe und Besinnung nach diesem ausgesprochen emotionalen Abend wäre schön gewesen, aber die Begeisterung der Zuschauer brach sich sofort ihre Bahn. Fast 20 Minuten Applaus gab es nach der Vorstellung des 10. Dezember 2018. Die Solisten, der Chor, das Orchester und der Dirigent wurden gefeiert und bejubelt. Immer wieder erschallten Bravo Rufe durch den Raum, sodass die Solisten und der Dirigent immer wieder vor den Vorhang traten und mit großer Freude und Rührung Lob und Anerkennung des Münchner Opernpublikums entgegennahmen. Die Stimmung war gelöst und eine große Zufriedenheit stellte sich ein, bei den Opernbesuchern und sicher auch bei den Künstlern auf der Bühne.
Im Anschluss ging es weiter nach Hause oder zu einem gemütlichen Essen mit Freunden in ein nahegelegenes Grillrestaurant, wo der Abend wie jedes Mal in fröhlicher Runde ausklang. Dieses wunderbare und musikalisch hochkarätige Erlebnis wird sicher noch lange Zeit nachklingen.
Und jetzt frage ich noch: Was wäre das Leben ohne die Oper und ohne die einzigartig schöne Musik von Guiseppe Verdi? Antwort: Sehr traurig und öde!
Also bis bald oder wie man in Italien sagt: Ciao a presto!