(C) Screenshot Parsifal Staatsopern TV / Bayerische Staatsoper
Schon sehr viel wurde über die Neuinszenierung von Pierre Audi und Georg Baselitz seit der Premiere am 28.Juni geredet, diskutiert und geschrieben. Ich habe lange überlegt, was und wie viel ich über die Inszenierung, das Bühnenbild und die Kostüme schreiben soll und die Entscheidung getroffen, es so zu halten wie Pierre Audi mit seiner Regie, reduziert. Ich sage dazu nur: alles passt zusammen, alles ist stimmig und rund. Es mag sein, dass der eine oder andere Opernbesucher im Zuschauerraum meint, es würde nicht viel geschehen auf der Bühne, aber das stimmt nicht. Wenn Maestro Kirill Petrenko den Taktstock zum Vorspiel von Parsifal hebt, dann entsteht er, der Zauber der Musik, die Magie des Augenblicks. Es gibt so viele wunderbare Momente in dieser Oper, es gab so viele schöne und berührende Augenblicke an diesem Abend des 5. Juli.
(C) Screenshot Parsifal Staatsopern TV/ Bayerische Staatsoper
Ich erinnere mich an die Szene im ersten Akt, wenn Rene Pape(Gurnemanz) Jonas Kaufmann (Parsifal) in die Arme schließt, ihn wie ein Kind sanft hin und her wiegt und ihn leise mit den Worten: „Du siehst, mein Sohn, zum Raum wird hier die Zeit“, die Augen schließt. Parsifal (der zu dem Zeitpunkt noch vollkommen unwissend ist), wird von Gurnemanz darauf vorbereitet ,den Gral zu schauen, da dieser hofft, der junge Mann könne der reine Tor sein und somit der Erlöser von Amfortas und der Gralsgemeinschaft. Der Münchner Opernsänger verkörpert das naive, unwissende Wesen Parsifals wunderbar durch seine Darstellung: der verwirrte, fragende und fast ein wenig ängstlich wirkende Blick, wenn er aufschaut zu Gurnemanz und sich schutzsuchend an ihn schmiegt. Dieser Moment hat mich besonders berührt,
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Genau wie die Szene, die im Anschluss folgt: der zweite Auftritt von Christian Gerhaher und die erste und entscheidende Begegnung von Parsifal und Amfortas, dem siechenden Gralskönig. Um einen Eindruck zu erhalten von der Regie, der Personenführung, dem Bühnenbild und auch den Kostümen gibt es im Beitrag nicht nur die offiziellen Bühnenfotos, sondern auch den Trailer und das Videomagazin der Bayerischen Staatsoper. Ergänzend dazu sind auch noch Ausschnitte von den zwei BR Magazinen Klick Klack und Capriccio zu sehen. Es gibt einen wunderschönen Augenblick nach dem nächsten, die Musik Wagners unter der Leitung von GMD Kirill Petrenko trägt einen durch den gesamten Abend und das Geschehen auf der Bühne zieht die Zuschauer hinein in eine vollkommen andere und fast mystische Welt. Man wird gefangen genommen und erst wieder losgelassen, wenn die letzten Takte, die letzten Töne verklungen sind.
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Die Musik von Wagners letztem Werk ist einfach magisch, unfassbar schön und unter der Leitung von Kirill Petrenko, der ohne Pathos das sehr Weihevolle dieses Bühnenweihfestspiels dirigiert, unvergesslich. Früher dachte ich, Wagner müsste schwülstig, langatmig und bombastisch sein. Heute weiß ich dank Kirill Petrenko, aber auch Jonas Kaufmann, dass es das auf keinen Fall sein muss. Sie haben mich gelehrt, Wagners Musik auf eine andere Art und Weise zu hören. Bevor ich zu den Sängern in den vier Hauptpartien komme, darf ich noch den großartigen Chor der Bayerischen Staatsoper erwähnen, der für mich zu den besten Opernchören der Welt gehört, genauso wie das immer wieder ausgezeichnete Orchester der Bayerischen Staatsoper besonders unter der Leitung von Kirill Petrenko Höchstleistungen bringt. Des Weiteren muss erwähnt werden, dass auch die kleinste Rolle exzellent besetzt ist. Als Blumenmädchen zu sehen sind z.B. Golda Schultz, Selene Zanetti und Rachel Wilson.
(C) Ruth Walz / Bayerische Staatsoper
Eine insgesamt kleine Partie ist die von Wofgang Koch in der Partie des gefallenen Gralsritter Klingsor, der wie schon im Vorbereitungsbeitrag beschrieben, immer wieder Rache nimmt an den Gralsrittern, die sein Reich betreten, um ihm den Speer zu entwenden und ihn zu vernichten. Er hat sich Kundry untertan gemacht und benutzt sie als sein lebendiges Werkzeug für sein zerstörendes Werk. Wolfgang Koch, der in dieser Inszenierung die größte Verwandlung erhielt, füllte seine Rolle mit Nachdruck aus und konnte stimmlich und darstellerisch zeigen,dass er zu Recht an der Spitze der besten Opernsänger in Deutschland steht.
Die vier Hauptpartien, wie bekannt mit Jonas Kaufmann, Rene Pape, Christian Gerhaher und Nina Stemme besetzt, sollen jetzt zur Erwähnung kommen. Diese vier Sänger, Sängerdarsteller auf der Bühne zu haben, ist ähnlich wie beim Pariser Don Carlos im Oktober letzten Jahres ein unglaublicher Glücksfall und eine unfassbare Freude mit Seltenheitswert.
(C) Wilfried Hösl, Ruth Walz, Wilfried Hösl / Bayerische Staatsoper
Beginnen wir mit Rene Pape, der seine Partie des Gurnemanz bereits im dreistelligen Bereich auf der Bühne verkörpert hat,und der auch in dieser Neuinszenierung von Pierre Audi überzeugt. Sein warmer Bass klingt im Ohr äußerst angenehm, wärmt das Herz und berührt. Die Stimme, die sich von kraftvoll bis ganz zart verändert und die Gefühle und Gedanken Gurnemanz' glaubhaft ausdrückt, möchte man am liebsten nicht mehr verlieren, vermisst sie, wenn sie nicht zu hören ist. Die Darstellung des alternden Gralsritters, der die ganze Gemeinschaft zusammenhält und seinem alten Gefährten Titurel zur Seite steht, ebenso wie seinem Sohn Amfortas in seinen schwersten Stunden, verkörpert Rene Pape eindrücklich und authentisch durch seine Bühnenpräsenz. Die Hoffnung, die Sorge, die Verzweiflung, die Trauer Gurnemanz', all das vermag der sächsische Opernsänger dem Zuschauer im Opernhaus zu vermitteln . Jederzeit ist der Bass bei der Musik, seiner Rolle und seinen Kollegen auf der Bühne, verliert zu keiner Zeit den Kontakt zum Geschehen.
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Die nächste Künstlerin ist Nina Stemme in der Rolle der Kundry, einer ganz sicher ausgesprochen anspruchsvollen Partie, die von der schwedischen Sopranistin beeindruckend gemeistert und ausgefüllt wird. Nina Stemme, die diese Partie schon einige Male gesungen hat, kann auch in dieser Neuproduktion zeigen, wie wandlungsfähig sie ist, stimmlich, darstellerisch, optisch. Nina Stemme beeindruckt mit einer starken Bühnenpräsenz und einer äußerst flexiblen Stimme. Sie singt in München die Rolle der Kundry als Sopran, um auch die sogenannten Kundryschreie so echt und gefährlich klingen zu lassen. Dieses gelang ihr eindrucksvoll. Die schwedische Sopranistin zeigt auch äußerlich ihre große Wandlungsfähigkeit und unterstreicht zusätzlich die verschiedenen Welten, auch Gefühlswelten von Kundry. Auch sie behält jederzeit den engen Kontakt zu ihren Kollegen und Kirill Petrenko im Orchestergraben. Im dritten Aufzug hat sie nur noch zwei Worte zu singen, kann aber weiterhin ihre schauspielerischen Fähigkeiten in die Waagschale werfen.
(C) Ruth Walz / Bayerische Staatsoper
Die Überraschung in dieser Premierenserie im Rahmen der Münchner Opernfestspiele war sicher der deutsche Bariton Christian Gerhaher in der Rolle des verwundeten Gralskönig Amfortas. Die Überraschung ist natürlich nicht, dass der bayerische Opernsänger in der Lage ist, diese Partie zu singen, sondern die Intensität, mit der er sie hier ausfüllt und gestaltet. Dazu kommt, dass Christian Gerhaher bereits seit elf Jahren überlegt hat,diese Partie zu singen und erst 2018 sein Debüt an der Bayerischen Staatsoper gibt. Und jetzt kann man nur sagen: es ist wirklich die Rolle seines Lebens. Höchst beeindruckend bringt der 48jährige Opernsänger den Amfortas auf die Bühne: kraftvoll, verzweifelt, am Rande des Wahnsinns. Er glaubt, hofft, gibt wieder auf. Er leidet Höllenqualen, körperlich und noch mehr seelisch. Die Wunde bricht immer wieder auf, vergiftet seinen Körper, seinen Geist. Christian Gerhaher bringt all diese Gefühle mit einer solchen Wucht und Energie auf die Bühne, dass die Luft anzuhalten nur die geringste „Nebenwirkung“ ist. Ein Sängerdarsteller, der sich mit jeder kleinen Faser seines Körpers seiner Darstellung und der Musik widmet und auf eine extreme und intensive Weise jeden Zuschauer in seinen Bann zieht. Die optische Verwandlung tat natürlich das ihre dazu bei: Christian Gerhaher, der heuer 49 Jahre alt wird, altert in dieser Neuproduktion um sicher 2 Jahrzehnte und die Damen und Herren von der Maske haben wirklich eine fantastische Arbeit geleistet.
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Zum Schluss widme ich mich nun Jonas Kaufmann in der Titelpartie. Der Münchner Opernsänger, der die Rolle des
Parsifal auch nach eigenen Angaben noch nicht besonders strapaziert hat, gibt hier während der Opernfestspiele sein Hausdebüt. Im Gegenteil zu seinem Kollegen Christian Gerhaher oder auch Rene Pape hat sich der 49jährige (Star)tenor um etliche Jahre verjüngt. Als reiner unwissender Tor, als Knabe von vielleicht 18 Jahren unterstreicht das natürlich die Darstellung in einer nicht unerheblichen Weise. Aber nicht nur die optische Verwandlung, dunkel gefärbte kurzgeschnittene Haare, ein nur noch sehr dezent vorhandener Bart und ein entsprechendes Makeup trugen dazu bei, dass man dem sympathischen Münchner den naiven jungen Mann abnimmt, der in eine Welt gerät, die ihn gleichzeitig verängstigt und tief beeindruckt. Er weiß von nichts und hatte in seinem bisherigen Leben eigentlich keinen Kontakt zu anderen Menschen. Seine Mutter hatte ihn aus Angst, ihn zu verlieren, zum Toren erzogen und vor aller Welt behütet. Es war zu lesen, dass in dieser Produktion zu wenig passieren würde, keine Aktion, keine Bewegung, alles sei sehr statisch. Ich kann nur sagen: wer aufmerksam beobachtet hat, im Nationaltheater saß, die Vorstellung während Oper für Alle sah oder den Livestream mitverfolgte, wird etwas anderes sagen oder Abbitte leisten müssen. Insbesondere die Nahaufnahmen während der Übertragung im Internet haben verdeutlicht, wie viel dort auf der Bühne geschieht, nicht in ständiger Aktion, aber in den Gesichtern der Sänger, in ihren Gesten, die ihre gesungenen Worte eindrucksvoll unterstreichen und noch mehr, wenn ihre Stimmen schweigen und die Kamera dicht auf sie gerichtet ist. Jonas Kaufmann ist diesbezüglich neben Christian Gerhaher der Sänger, der diese Möglichkeit ,sich auszudrücken, am meisten schätzt und einsetzt. So auch in seiner Rolle als Parsifal, in der er gerade im ersten, aber auch im dritten Akt über große Strecken nichts zu singen hat ,aber trotzdem die ganze Zeit präsent sein muss, mit seiner Rolle und dem Geschehen verbunden. Und genau das ist eine der Stärken des Münchner Opernsängers, die ihn auszeichnet und abhebt. Sein Parsifal ist naiv, fast ein wenig kindlich im ersten Akt. Die Erlebnisse beeindrucken ihn tief und trotzdem begreift er erst viel später, was er gesehen hat. All dies drückt Jonas Kaufmann mit seiner Mimik und Gestik aus: der verschreckte Blick, die große Mühe,das Erlebte zu begreifen und zu verarbeiten, die suchenden, ängstlichen Augen, das Mitleid, das sich in Parsifal regt, der Schmerz, den er empfindet. Es ist faszinierend, wieviel Gefühle man nur mittels ein paar zarter Gesten und Blicke ausdrücken kann. Dass die Stimme des deutschen Opernsängers alles auszudrücken in der Lage ist, was der Mensch an Emotionen zu empfinden vermag, steht außer Frage. Kraftvoll, fast heldisch erklingt seine Stimme im zweiten Akt. Dem Kuss der Erkenntnis folgt sein verzweifelter Ausruf: „Amfortas! Die Wunde…! In einem Moment wird der reine Tor zum Mitleid Wissenden und erkennt seine Mission und den Weg, den er von nun an zu gehen hat und der ihm vorbestimmt war. Der zweite Aufzug ist sehr dramatisch und der Kampf ihrer Figuren fordert den zwei Sängern stimmlich einiges ab. Noch beeindruckender als all die Kraft und Dramatik sind gerade bei Jonas Kaufmann immer wieder die ganz leisen Momente, das Zerbrechliche, der Schmerz, die Trauer und eine innere Einkehr. Niemand singt derzeit so unglaublich zarte Piani, die trotzdem auf jedem einzelnen Platz im Opernhaus zu hören sind, nicht zuletzt dank einer perfekten Diktion. Im dritten Akt spielen gerade diese leisen und zerbrechlichen Momente eine besonders starke Rolle. Segenspende, Taufe und die feierliche Stimmung des Karfreitages tragen dazu bei. Und wieder lohnt es sich, Mimik und Gestik des Münchner Opernsängers genau zu beobachten. Der Blick verklärt nach oben gerichtet beim Empfangen des Segens durch Gurnemanz, die schmerzvolle Erkenntnis, nicht von Beginn an alles getan zu haben, um das Leiden von Amfortas zu beenden, seiner Gralsgemeinschaft neue Kraft zu geben und als neuer König sie zu alter Stärke zurück zu führen. Dank des großartigen Livestreams in Kinoformat gab es viele berührende Momente, die noch einmal verstärken, was für wunderbare Sänger, Sängerdarsteller bei dieser Neuproduktion im Rahmen der Opernfestspiele auf der Bühne stehen.
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Die intensive Darstellung, die wunderbaren, ausdrucksstarken Stimmen und die perfekte Diktion, egal ob Chor oder Solisten, bleiben eindrucksvoll in Erinnerung, genau wie jeder einzelne Abend mit diesem traumhaften Ensemble, einem Orchester, das keine Wünsche offenlässt und einem Dirigenten, der diese unbeschreiblich schöne Musik von Richard Wagner noch weiter in den Himmel hebt und zaubert, die Menschen in der Oper verzaubert. Jede einzelne Minute dieser Neuinszenierung war und ist ein wunderbares Geschenk, das ich zumindest niemals vergessen werde und in tiefer Dankbarkeit in meinem Herzen bewahre.
So gab es selbstverständlich am Ende für alle Mitwirkenden den verdienten Applaus als Belohnung für eine eindrucksvolle und beeindruckende Darbietung. Die Premiere lasse ich außen vor, da Premieren nach wie vor einem besonderen Gesetz unterliegen. Nach allen anderen Vorstellungen gab es nur Begeisterung und Jubel für die Solisten, den Chor, das Orchester und vor allem für den Generalmusikdirektor Kirill Petrenko den wir alle hier in München hoch verehren.
(C) Link Youtube / Bayerische Staatsoper
Ich könnte noch stundenlang weiterschreiben, da es noch so viel zu erzählen gibt. Ich hoffe, dass jeder, der meinen Beitrag liest, meinen Gedanken und Eindrücken zustimmt und folgt und hoffe, dass dank Oper für Alle und Lifestream im Internet so viele Menschen wie möglich die Gelegenheit hatten, diesen Jahrhundert Parsifal zu sehen. Ich hoffe, nachdem ich auch noch die Aufzeichnung im Internet anschauen durfte, dass es von dieser Produktion und mit dieser grandiosen Besetzung und mit diesem Dirigenten am Pult eine DVD geben wird. Die Übertragung mit den intensiven Nahaufnahmen, einer perfekten Lichtgestaltung und dieser Kameraführung lässt hoffen, das genau dieses der Plan ist. Diese Aufnahmen erinnern an eine Übertragung auf der Großbildleinwand im Kino.
(C) Ruth Walz / Bayerische Staatsoper
Am 31. Juli gibt es mit genau dieser Besetzung die letzte Gelegenheit, diese Neuinszenierung in der
Premierenserie zu erleben. Diese letzte Vorstellung ist auch gleichzeitig der Abschluss der diesjährigen Opernfestspiele in München. Ich freue mich schon sehr darauf und werde auch dann sicher
wieder jede einzelne Minute genießen. Zum Abschluss gibt es noch ein kleines Schmankerl: das amüsante Pauseninterview am 8.Juli, das Thomas Gottschalk mit (Star) Tenor Jonas Kaufmann geführt hat.
Viel Spass damit!
(C) Link Youtube/Backstage- Interview Livestream Parsifal
Wir hören uns wieder nach dem Liederabend von Anja Harteros, dem Konzert von Elisabeth Kulmann und natürlich nach dem Dolce Vita Konzert von Jonas Kaufmann auf der Waldbühne in Berlin!
(C) Hannah Klug / Wunderbare Welt der Oper