Dem Himmel so nah...

Das L`Opera Konzert von Jonas Kaufmann am

am 13. Mai 2018 im Wiener Konzerthaus

 

Am Sonntag, den 13.Mai, am Muttertag, um genau zu sein, gab der Münchner (Star)Tenor Jonas Kaufmann sein zweites Konzert mit französischen Opernarien im Rahmen einer Minitournee. Nach der Meistersingerhalle in Nürnberg am letzten Mittwoch war am Sonntag nun Wien und sein wunderschöner Konzertverein an der Reihe, mit der Stimme dieses Ausnahmesängers erfüllt zu werden. An der Seite des sympathischen Künstlers war auch an diesem Abend die amerikanische Mezzosopranistin Kate Aldrich. Mit ihr hatte der Tenor im Juli 2015 beim Festival in Orange bereits zusammen in einer Neuinszenierung von Carmen auf der Bühne gestanden. Ein unvergessliches Erlebnis, die beiden Künstler gemeinsam in dieser Oper und in diesem traumhaften Ambiente zu erleben. Außerdem mit dabei am Dirigentenpult: Jochen Rieder, der den Opernsänger schon lange Zeit auf seinen verschiedenen Konzertreisen begleitet. Beide verbindet eine lange Freundschaft, und das schafft Vertrauen, was man dann auch von Beginn an im Konzert spürt. Unter der Leitung von Jochen Rieder spielt an allen drei Terminen (Nürnberg 9.5., Wien 13.5. & Stuttgart 16.5.) die Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz. Das Konzertprogramm war sowohl in Nürnberg als auch in Wien das gleiche (inklusive der drei Zugaben) und dürfte sich auch in Stuttgart nicht ändern. Zu hören war ein wunderschönes Programm französischer Arien, zusammengestellt von der aktuellen CD L´Opera. Ergänzt wurden die Arien von verschiedenen Instrumentalstücken des französischen Opernrepertoire wie z.B. die Ouvertüre zu Mignon von Ambroise Thomas oder Die Rheinnixen von Jacques Offenbach. Und auch die bildhübsche und stimmgewaltige Mezzosopranistin war in einem Soloauftritt zu erleben. Sie sang die Habanera aus George Bizets Oper Carmen und verzauberte mit ihrem Charme und ihrer Stimme das Publikum. Die zwei Duette mit Jonas Kaufmann aus Werther und Carmen kommen selbstverständlich noch zur Sprache.

 

Jetzt aber erst einmal zur Hauptperson des Abends und dem Grund für ein restlos ausverkauftes Wiener Konzerthaus, dem Münchner Opernsänger, (Star)Tenor, Ausnahmesänger , Künstler und Publikumsliebling Jonas Kaufmann! Elegant in Frack, mit perfekt getrimmtem Dreitagebart, Lockenkopf und seinem unwiderstehlichen Charme reichte schon das Betreten der Bühne im Wiener Konzerthaus aus, um das Publikum(insbesondere das weibliche) um den kleinen Finger zu wickeln. Als sich das erste Mal die Tür für Jochen Rieder, den Dirigenten des Abends, öffnete, war für ein kurzen Augenblick das wohlbekannte und so ansteckende Lachen des Sängers zu hören, der in jedem Fall entspannt und bester Laune war.

 

Bereits mit der ersten Arie („Pays merveilleux! …O paradis“) aus Gicomo Meyerbeers Oper L´africaine setzte der Sänger ein eindrückliches Zeichen seines Könnens und eroberte gleich vom ersten Moment an sein Wiener Publikum. Als Dank gab es Jubelrufe und begeisterten Applaus. Das änderte sich danach selbstverständlich nicht mehr. Der Ausnahmesänger verzauberte mit zartesten Piani, die man bis in die letzte Reihe hörte, einer kraftvollen Mittellage, seinem warmen baritonalen Timbre, strahlenden Höhen und seiner perfekten Diktion. Dazu ist der Münchner (Star)Tenor in der Lage, nur mittels seiner Stimme die unterschiedlichen Charaktere darzustellen und ihre Gefühlslagen wie Angst, Verzweiflung und Schmerz authentisch, berührend und sehr intensiv zu vermitteln. Seine Stimme nimmt immer den direkten Weg über und durch die Musik in die Herzen seiner Zuhörer. „Wenn die Stimme die Seele berührt“…So auch am Abend des 13.Mai im Wiener Konzerthaus. Da es eindeutig zu lange dauern würde das gesamte Programm zu besprechen, habe ich mich für einige Highlights entschieden: die Arie des Don Jose „ La fleur que tu m´avais jetee“ aus der Oper Carmen, des weiteren die Arie des Eleazar „Rachel, quand du Seigneur“ aus Jacques Formental Halevys Oper La Juive sowie die Duette „Il faut nous separer“ aus Jules Massenets Oper Werther und das dramatische Schlussduett aus Carmen „C´est toi? C´est moi“! Zu den drei Zugaben komme ich am Schluss noch gesondert.

 

Was den Don Jose angeht, ist das ganz sicher nach wie vor eine Traumrolle für den Münchner Opernsänger . So stand plötzlich nicht mehr Jonas Kaufmann dort oben, sondern Don Jose, der Carmen seine Gefühle, seine Liebe offenbart und dass er für sie durch die Hölle gegangen sei. Das  "J´taime" am Ende der Arie verzweifelt und flehend gesungen, ganz leise und zart, ja zerbrechlich. Es gibt neben Jonas Kaufmann für mich nur zwei Kollegen, die sich mit ihm die Krone für die gesangliche und darstellerische Interpretation für diese Partie teilen: Roberto Alagna, der diese Rolle schon sehr lange fest in seinem Repertoire hat und Piotr Beczala, der dieses Jahr sein Rollendebüt in Wien gab.   Eine Arie die, wie ich an der Bühnentür erfahren habe, nicht nur mich sehr beeindruckt hat, sondern auch dem Künstler selbst sehr am Herzen liegt, stammt aus der Oper La Juive von Jaques Formental Halevy. In „Rachel, quand du Seigneur“ kämpft ein Vater darum, seine Tochter vor dem Tod zu bewahren. Er bittet sie um Verzeihung, fleht zu Gott um Gnade für sie. Es gibt Momente, die einen ohne Vorwarnung erwischen.   Als der Münchner Opernsänger diese Arie zu Gehör brachte, war ein solcher Moment. Mit so viel Verzweiflung , Angst und Schmerz in der Stimme war es nicht notwendig, auch nur ein einziges Wort zu verstehen. Sämtliche Gefühle offenbarten sich direkt, erfüllten den Raum im Wiener Konzerthaus und füllten manches Auge mit Tränen der Rührung. Bewegende Augenblicke, die man niemals vergisst und die nur eine Handvoll Sänger so auszulösen in der Lage sind. Es geschieht immer dann, wenn der Künstler sich so mit der Musik und der Figur und ihrer Geschichte verbindet, dass die Grenzen fast verschwinden, eine wirkliche Gabe, die ausgesprochen kostbar und selten ist. Jonas Kaufmann konnte auch oder gerade bei dieser Arie sein ganzes Können, seine Kunst unter Beweis stellen. Er demonstrierte die gesamte Bandbreite seiner Stimme: zarteste Piani, kraftvolle Passagen im Forte, seine wunderbare baritonal gefärbte warme Mittellage, hohe Spitzentöne und immer in wunderbarer Klarheit und mit einer perfekten Diktion.

 

Fehlen noch die zwei Duette mit seiner Bühnenpartnerin Kate Aldrich. Zum einen war da als Abschluss des ersten Teils im Konzert das Finale des ersten Aktes aus Jules Massenets Musikdrama Werther (nach dem gleichnamigen Roman von Johann Wolfgang Goethe), „Il faut nous separer “. Charlotte und Werther kommen vom Ball zurück, treffen ein am Haus von Charlottes Familie. Werther gesteht ihr zart seine Gefühle, Charlotte erzählt ihm die Geschichte um ihre verstorbene Mutter.  Von ihrer Zartheit und Kraft zugleich beeindruckt gesteht er ihr überwältigt seine Liebe. Gerade als sie ihm Antwort geben will, ein wenig überfordert von seiner Leidenschaft, kehrt ihr Verlobter zurück. Da sie ihrer Mutter an deren Totenbett den Eid geschworen hat, Albert zum Mann zu nehmen gibt es für sie und Werther keine gemeinsame Zukunft. Charlotte wendet sich ab und geht, der junge Mann bleibt verzweifelt alleine zurück mit dem Wunsch zu sterben, wenn er ohne sie leben muss. Und genau diese kleine Zusammenfassung gab es von dem Münchner Opernsänger und der amerikanischen Mezzosopranistin zu erleben. Wobei festzustellen ist, dass der temperamentvollen Künstlerin die Rolle der Carmen auf den Leib geschrieben ist, die Rolle der Charlotte dagegen hat sie für mich nicht ganz so authentisch vermittelt. Es fehlte in der Stimme und in der Darstellung das Zarte, das Zurückhaltende. Bei Jonas Kaufmann hingegen regte sich nicht nur bei mir der starke Wunsch, ihn in dieser Partie wieder einmal auf der Bühne erleben zu wollen. Dazu trug auch die erste der drei Zugaben bei. Es ist einfach wie für ihn gemacht: die Musik, die Geschichte, die Rolle. Alles vereint sich am Ende perfekt in seiner Stimme und mit seiner Interpretation auf der Bühne. 

 

Zum Abschluss des offiziellen Teiles in dieses Konzertes gab es noch ein weiteres Duett. Und dieses Mal waren beide Künstler wieder auf Augenhöhe. Jonas Kaufmann und Kate Aldrich verwandelten sich vor den Augen der Zuschauer ohne Kostüme und Make up in die Figuren der Carmen aus George Bizets gleichnamiger Oper und des Don Jose. Es kam das finale Duett „C´est toi? C`est moi!“ zur Aufführung. Und die beiden Opernsänger demonstrierten eindrucksvoll ,dass es absolut nicht notwendig ist, ein Bühnenbild zu haben oder Kostüme, wenn  Darstellung und gesangliche Interpretation so intensiv sind . Und die Zuschauer bekamen eine Darbietung, die sie so schnell sicher nicht wieder vergessen werden. Die beiden Künstler nahmen fast die gesamte Länge der Konzertbühne in Anspruch und kreierten eine dichte und spannungsgeladene Athmosphäre. Mimik, Gestik und Stimme unterstrichen jede Gefühlsregung und die aussichtslose Lage, in der sich beide Figuren befinden. Der Münchner Ausnahmesänger demonstrierte auf eindrückliche Weise den schon oft zitierten Begriff „kontrollierte Ekstase“. Während sein Don Jose am Anfang noch zart um Carmens Liebe fleht, steigert sich im Laufe der Zeit die Verzweiflung und wandelt sich in extreme Eifersucht. Immer mehr gerät er in Rage, droht, packt sie brutal, schüttelt sie, tobt vor Wut. Und Kate Aldrich in ihrer Rolle reizte ihn bis aufs Blut, demütigte ihn, verweigerte ihre Liebe, war längst mit den Gedanken bei ihrem neuen Liebhaber. Sie weiß, dass sie diese Situation nicht lebend verlassen wird und Don Jose sie töten wird, damit niemand anderes sie haben darf. Und so kommt es am Ende zum unabwendbaren: wie von Sinnen ersticht Don Jose seine ehemalige Geliebte. Das imaginäre Messer des Münchner Tenors war dabei fast in seiner Hand zu sehen. Wenn er am Ende verzweifelt ruft: „Ihr könnt mich festnehmen…Ich habe sie getötet. Ach! Carmen! Meine angebetete Carmen!“ drückt er sie fest an sich und vergräbt sein Gesicht in ihrer Schulter. Fine!

 

Und dann? Natürlich tosender und nicht enden wollender Applaus! Das Wiener Publikum brachte seine große Begeisterung und Freude zum Ausdruck und feierte die zwei Sänger für ihre fantastische Leistung. Dann folgten selbstverständlich noch die Zugaben; zu Beginn die bereits erwähnte Arie aus Werther,

 

wunderschön gesungen vom Münchner Opernsänger mit so viel Verzweiflung und Inbrunst. kraftvoll, klar, mühelos. Und wieder ein deutlicher Hinweis, dasss er den Werther unbedingt noch einmal auf der Opernbühne verkörpern sollte. Die zweite Arie aus Jules Massenets Oper Manon hingegen ganz zart, leise, in sich gekehrt. Auch bei den drei Zugaben zeigte der Tenor mit der Samtstimme sein ganzes Können: die Piani bis in die letzte Reihe zu hören, die wunderschönen Legatobögen, der perfekt eingeteilte Atem, die kraftvollen Ausbrüche, makellose Höhen und eine unglaublich angenehme, warme baritonale Mittellage; und natürlich die Gabe, mit seiner Stimme all die Gefühle direkt in die Herzen seiner Zuhörer zu transportieren.

 

Am Schluss gab es in allen drei Städten(Nürnberg, Wien und Stuttgart)noch eine sehr bezaubernde kleine Überraschung, gemeinsam vorgetragen von Jonas Kaufmann und Kate Aldrich: die Bacarole aus Jacques Offenbachs Les Contes d` Hoffmann. Und ich kann sagen: dieses Mal hatten besonders die zwei Sänger auf der Konzertbühne oben ihre ganz große Freude daran, dieses bezaubernde Duett zu interpretieren. „Belle nuit, o nuit d´amour“ (Schöne Nacht, du Liebesnacht). Über den Opera Guide ist die Szene, aus der die Bacarole stammt, genau nachzulesen. Die Beschreibung lautet bei Wikipedia: Ein Palazzo in Venedig. Zu den Klängen einer Bacarole besingen Nicklausse(Mezzosopran),die Kurtisane Guiletta(Sopran) und ihre Gäste die Nacht und die Liebe. In diesem Duett übernahm die amerikanische Mezzosopranistin die Partie von Nicklausse. Und jetzt darf geraten werden, welche Rolle der sympathische Münchner übernahm…genau die Sopranpartie der Kurtisane Guiletta! Natürlich angepasst an seine Stimmlage. So demonstrierte Jonas Kaufmann wieder einmal, dass er eine ordentliche Portion Selbstironie besitzt und so gestaltete er auch diese Rolle, ohne in irgend einer Weise zu übertreiben, mit einem Augenzwinkern. Der Münchner durfte sozusagen seine weiche und feminine Seite offenbaren. Eine kleine Anspielung gab es bezüglich des Rollentausches übrigens. Kate Aldrich übernahm  für die Zeit des Duetts den Frack ihres Bühnenpartners, der im Gegenzug das Angebot, ihr Kleid zu tragen, mit einer Handbewegung dankend ablehnte. Während der Opernsänger seiner Kollegin in Wien noch seinen Frack „freiwillig“ angeboten hatte, „nahm“ sich die Mezzosopranistin in Stuttgart das gute Stück einfach, ohne zu fragen .In jedem Fall hatten die zwei Künstler einen riesigen Spaß an ihrer Darbietung und steckten mit ihrer Freude binnen Sekunden das gesamte Wiener Publikum an.

 

Alle drei Varianten der Bacarole und noch ein wenig mehr gibt es ganz sicher auf YT zu finden oder auch an anderer Stelle im WWW….

 

Am Ende gab es noch mehr Applaus, unzählige Bravi Rufe und Standing Ovations. Immer wieder mussten die Künstler herauskommen, genossen die große Anerkennung und bedankten sich ihrerseits beim restlos begeisterten Publikum für einen traumhaften Abend. Am Ende gab es diverse Handküsschen vom Münchner Publikumsliebling und ein strahlendes Lachen. Auch Kate Aldrich wirkte entspannt, gelöst und äußerst zufrieden.

 

Zum Schluss noch ein paar Worte zum Orchester und ihrem Dirigenten: Die Deutsche Staatsphilharmonie Reinland-Pfalz unter der Leitung von Jochen Rieder lieferten eine wirklich gute Leistung ab und trugen so ebenfalls zu einem sehr gelungenen Abend im Wiener Konzerthaus bei. Das Orchester, dessen „Residenzstadt“ Ludwigshafen ist,ist beim Echo Klassik 2015 als Orchester des Jahres ausgezeichnet worden und in der Spielzeit 2016/17 vom Deutschen Musikverleger-Verband für das beste Konzertprogramm.

 

 

So endete am 13. Mai gegen 22:00 ein wunderschöner, unvergesslicher Konzertabend in Wien und man kann sagen: in diesen zwei Stunden musikalischer Glückseligkeit war der Himmel schon sehr nah….!